Nauraka - Volk der Tiefe
hinein und steigerte ihn; und sie kümmerten sich nicht im Geringsten darum, wer draußen ihre Lustschreie hören mochte.
Beim nächsten Mal und danach nahm er sich mehr Zeit und lernte dazu, hielt immer wieder inne, um Alrydis zu liebkosen und zu küssen, und ihr glückliche leise Laute zu entlocken. Erenwin wurde es nicht müde, die samtene Süße ihrer Haut zu kosten, seine Zunge tastete ihren ganzen Körper ab, seine Nase sog mit weit geblähten Nüstern ihren Duft ein. Noch nie hatte er ein anderes Wesen mit solcher Intensität wahrgenommen. Er fühlte sich fast wie in der Tiefe, so vollkommen eins mit ihr, selbst das Kribbeln, wenn er sie berührte. Er erspürte sie mit all seinen Sinnen, sah sie an, nahm das Farbenspiel von Haut, Haaren und Lippen in sich auf, das seine Augen so lange entbehren mussten und das in ihm leuchtete wie ein Regenbogen, tauchte durch das Meer in ihrem zärtlichen Blick. Einer Frau so nahe zu sein, so innig verbunden wie der alles umgebenden, alles umschließenden See, eins zu sein, ihre Lust und Wonne zu fühlen, sie zu steigern, bis sie gemeinsam über die Wellen sprangen … wie gern hätte er schon früher gewusst, dass dies möglich war.
Und wie gern hätte er diesen Moment festgehalten, für immer.
Am Morgen schlüpfte Erenwin in seine gewohnte Kleidung, wickelte sie mit besonderer Sorgfalt, band die hüftlangen Haare im Nacken zusammen, steckte den Dolch vorn in den Gürtel, befestigte das Schwert am Rücken und die Armbrust am zweiten Gürtel.
Als Alrydis erwachte und ihn verschlafen anblinzelte, hielt er ihr seine schwarzen Hände entgegen. »Es ist vorbei«, sagte er. »Ich werde jetzt gehen.«
Sie setzte sich auf. »Vorbei?«, flüsterte sie. »Wie kannst du das nur sagen, nach all dem, was uns verbindet? Nach der letzten Nacht? Ich liebe dich, Erenwin!«
»Ich liebe dich aber nicht!«, gab er zurück. »Begreif das doch endlich, ich bin nicht fähig dazu. Wir haben das Lieben schon lange verlernt. In unserer Welt gibt es keine Liebe mehr!«
Sie schüttelte heftig den Kopf. »Das kann ich einfach nicht glauben! Mein Vater ist zur Hälfte Nauraka und zur Hälfte Dämon, und in ihm ist so unendlich viel Liebe. Was denkst du, von welcher Seite sie wohl stammt?«
»Die Vorfahren deines Vaters haben die See schon lange verlassen«, erwiderte er. »Die königliche Sippe existiert nicht mehr.«
»Sie ist immer noch in dir …«
»Und wohin hat mich das gebracht? Das Volk hat sich seither verändert. Es hat alles durch die unrühmliche Tat deiner Vorfahren verloren, die den Alten Feind unter uns wüten ließ, während sie sich an Land flüchteten!«
Ihre Lippen zitterten. »Doch die Sippe hat gesühnt und alles zurückgegeben, was verlorenging: Den Perlmond! Und sie hat den Siebenstern ermöglicht, der Waldsee schützt.«
»Wir erblicken nie Monde oder Sterne, Alrydis«, versetzte er ruhig. »Mein Onkel war der letzte, der liebte, und alle hielten ihn für verrückt. Er erzählte von den alten Zeiten, doch sie sind vergangen, für immer. Und ich bin verflucht! Begreif doch, mit jeder bösen Tat, die ich begehe, wächst die Dunkelheit in mir und schwärzt meine Haut.«
»Ich habe dich aber gesehen, wie du wirklich bist ... und letzte Nacht …«, wandte sie mit brüchiger Stimme ein.
Er lachte bitter. »Das lag an deinen wunderbaren Kräften, Alrydis. Und an diesem wunderbaren Reich. Für einen Moment war mir Glück vergönnt, doch das ist nicht von Dauer. Ich kann den Fluch nicht einfach ablegen. Ich bin an ihn gebunden, und an den Schwur. Ich werde nun einen Weg zum Alten Feind finden, um mein Volk von ihm zu befreien. Dann werde ich meine Schwester heimbringen, nur so habe ich ein Anrecht auf Hoffnung.«
Zaghaft stand sie auf und näherte sich ihm. »Aber wenn es so geschieht ... wirst du dann zu mir zurückkehren?«
Er blieb davon unberührt, merkte, wie er sich immer weiter von ihr entfernte. »Ich weiß nicht einmal, ob ich mich an dich erinnern werde. Das Leben dort unten ist so anders. Wir sind anders.«
Beschwörend ergriff sie seine Hand. »Dann gehe ich mit dir. In meinen Adern fließt immer noch naurakisches Blut, auch wenn ich dem neuen Geschlecht der Ylwanen entstamme. Vielleicht kann ich sogar Kiemen bekommen, wenn ich meinen Vater um Hilfe bitte. Wir sind uns näher, als du glaubst.«
Er entzog ihr die Hand und wandte sich ab. »Niemand ist mir nahe.«
»Aber … warum willst du es nicht zulassen? Jeder braucht jemanden!«
»Ich aber nicht. Mein
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