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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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deutete in fassungslosem Entsetzen auf die fliehende Fürstin. Die übrigen Wachen waren völlig kopflos, mussten sich einerseits Turéors Angriffe erwehren, andererseits die Fliehenden verfolgen. So einen Aufruhr hatte es sicher noch nie gegeben, war einfach undenkbar gewesen.
    »Onkel Turéor, komm schon!«, rief der Prinz, während er Lurdèa und Jemuma hinausschob.
    Der alte Nauraka schnellte aus dem Chaos steil nach oben, schlug einen Bogen und tauchte Erenwin nach. Da wurde die Tür zu Janwes Gemächern aufgerissen, und der Fürst eilte mit gezogenem Schwert heraus. »Haltet sie auf, ihr Narren!«, brüllte er. »Rettet die Fürstin, sie wird entführt! Bringt sie in Sicherheit!«
    Aus dem vierten Gang, der »Verwaltung«, strömten jetzt die Soldaten herbei, aufgeschreckt durch die Alarmschreie, und waren schnell im Bilde.
    Erenwin schubste Turéor an sich vorbei nach draußen, schlüpfte nun selbst durch das Portal und schmetterte es von außen zu, noch bevor die Soldaten heran waren. Jemuma versperrte es eilig mit dem Speer, den sie durch die Griffe schob, und für einen kurzen Moment huschte ein jugendliches Grinsen über ihre faltigen Züge, als sie die Wutschreie und das Hämmern hörte.
    In der Stadt war außer den Patrouillen niemand unterwegs, Dunkeldämmer war gerade angebrochen, und das Treiben würde erst wieder beginnen. Die Darystis sausten in höchster Eile davon, angeführt von Erenwin, der den kürzesten und zugleich verborgensten Weg dorthin kannte, wo die Seeschwärmer gehalten wurden. Janwe hatte vorgehabt, sie für seine Kriegszwecke einzusetzen, doch nun würde er auf sie verzichten müssen.
    Die Patrouillen bemerkten rasch, dass etwas nicht in Ordnung war; die meisten schwammen zum Palast, von dem Janwes schrille Stimme erklang, die anderen aber nahmen die Witterung der Darystis auf und folgten ihnen.
    Erenwin zog seine Schwester mit sich, die ihn jedoch nur mit matten Bewegungen unterstützte und die Geschwindigkeit deutlich verlangsamte.
    »Macht schneller, gebt alles!«, rief Turéor hinter ihnen. »Jemuma, schaffst du es?«
    »Bin dicht bei dir«, antwortete die Amme, und Erenwin wunderte sich, wie viel Kraft und Ausdauer die beiden Alten aufbrachten. Das hätte er ihnen nie zugetraut.
    »Hilf mir endlich, beweg dich!«, ermahnte er Lurdèa, die nun endlich zu erwachen schien, und Leben kam in ihre trägen Bewegungen. Gleich darauf sausten sie nur so dahin, und die Fürstin stieß ein paar Mal erschrockene Schreie aus, als Erenwin halsbrecherische Kurven nahm, um von einem Gang in den anderen zu wechseln, und sie haarscharf an spitzen Felsen entlangkamen. Manchmal wurde es so eng, dass sie kaum zu zweit durchpassten, und ein oder zwei schlaftrunkene Karunder zogen sich gerade noch rechtzeitig zurück, bevor es zum Zusammenstoß kam.
    »Weißt du überhaupt, wohin?«, fragte Turéor, der sich mit Jemuma zusammen weiterhin nah bei ihm hielt. »Ich kann keinen Plan erkennen …«
    »Ich nehme nicht den direkten Weg«, antwortete Erenwin, »um unseren Feinden nicht vorzeitig zu erkennen zu geben, wohin wir wollen.«
    »Das können sie sich doch denken!«
    »Noch wissen sie nicht, warum sie uns folgen. Sie tun es, weil wir so schnell vom Palast weggeschwommen sind und Janwe herumschreit. Das nutzen wir aus. Außerdem verteilen sich unsere Dünste besser, und sie werden unsere Spur nicht mehr so einfach weiterverfolgen können, bei der Vielzahl an Gängen.«
    Die Stadt besaß in der Mitte eine große Freifläche, ringsum befand sich ein einziges Labyrinth aus Felsen, gemauerten toten Korallen und heranwachsenden neuen. Sie könnte noch einmal so viele Karunder aufnehmen, wie hier lebten; Janwes Pläne mussten weit in die Zukunft reichen.
    Erenwin kannte den Weg genau. Er hatte ihn sich bestens eingeprägt und konnte sich nach wie vor auf seinen Orientierungssinn verlassen, auch wenn seine Augen nicht mehr so gut waren wie früher. Keiner der Gardisten hatte je seine wahre Absicht erahnt, als er begonnen hatte seine ausgedehnten Ausflüge durch die Stadt zu unternommen, und die er später dann nahezu eingestellt hatte. Nicht einmal Janwe, der sich stets berichten ließ, war misstrauisch geworden. Er hatte wahrscheinlich nicht damit gerechnet, dass Erenwin niemals aufhören würde, an Flucht zu denken und nur auf den geeigneten Moment wartete.
    Und genau jetzt, da Janwe einen Krieg vorbereitete und der Alte Feind auf dem Weg hierher war, durchkreuzte der verachtete, nie für ernst genommene

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