Nauraka - Volk der Tiefe
schwarze Muster zeichneten seine einst perlmuttschimmernde Haut, die sich bei genauem Hinsehen bewegten. Seine hellen Haare, das Einzige, was ihm von seinem früheren Aussehen verblieben war, fielen ihm mittlerweile bis fast zu den Hüften herab.
»Selbst deine Stimme, Erenwin«, fuhr sie betroffen fort. »Gewiss, sie war noch nicht ausgereift, aber nun … ist auch etwas Fremdes, Kaltes in ihr …«
»Ja, ja«, sagte er. »Es ist etwas geschehen, das ich dir beichten muss, doch nicht jetzt, wir müssen weg! Wir haben keine Zeit mehr …«
»Wären es nicht deine unverwechselbaren Gesten und Bewegungen, ich würde dich nicht erkennen, selbst dein Geruch ist anders.« Lurdèa schien nicht zu begreifen, was hier vor sich ging. Sie sah ihn nur an.
Deshalb schwamm Erenwin eilig zu ihr und packte sie am Arm. »Wir sind hier, um dich zu befreien, verstehst du? Du kommst hier raus!«
Der Blick ihrer türkisfarbenen Augen verschleierte sich kurz. »Er wird es nicht zulassen«, wisperte sie. »Ich habe schon lange jeden Gedanken an Flucht aufgegeben … ich fürchte mich sogar, weil ich nicht mehr weiß, wie es draußen ist …«
»Rede keinen Unsinn und komm jetzt«, drängte er. »Du wirst dich schnell wieder erinnern.«
Er wollte sie mit sich zerren, doch dann hielt er inne, als sie ihre zarte Hand an seine Wange legte. Ölige Tränen schwebten von ihr zu ihm. »Deine Augen«, hauchte sie. »Was ist nur mit deinen wunderschönen, einzigartigen Augen geschehen?«
»Sie sind … ich … ach, das muss warten. Später! Wir müssen fort, und wenn du nicht gleich mitkommst, werde ich dich einfach wegschleppen. Ich bin inzwischen ein wenig kräftiger als zuletzt, bevor wir uns trennen mussten.«
In diesem Augenblick stürmte eine Dienerin herein, die anders war als die übrigen. Ohne Furcht, groß, stämmig, und mit einem Messer bewaffnet.
»Fort von meiner Herrin!«, schrie sie und wollte Erenwin angreifen.
»Rahi!«, rief Lurdèa. »Halt ein, es ist mein Bruder!«
Die Frau hielt inne und starrte zuerst Erenwin, dann Lurdèa an. »Du verrätst meinen Herrn?«, zischte sie, und Hass loderte aus ihren Augen. »Nach allem, was er für dich getan hat, wagst du es, ihn zu hintergehen?«
»Und du wagst es, deine Herrin zu duzen? Weg da!«, rief Jemuma. »Diese niederträchtige Schlampe gehört mir!«
Bevor die Geschwister eine Bewegung machen konnten, sauste sie an ihnen vorbei, rammte die überraschte Rahi, riss sie mit ihrem Schwung mit sich und schmetterte sie gegen die Wand.
»Jemuma erledigt das«, stellte Erenwin zufrieden fest, legte den Arm um Lurdèas Taille und zog sie mit sich. »Und jetzt hinaus in die Freiheit, Schwester!«
Sie zögerte immer noch. »Wie kann es dort draußen Freiheit geben?«
»Wenn wir uns beeilen, werden wir sie finden.« Erenwin spürte glücklich den Körper seiner Schwester an seinem; sie lebte und war gesund. Nun würde er sein Versprechen halten und sie in Sicherheit bringen.
In der Halle war Turéor noch immer damit beschäftigt, die Wachen abzulenken. Keinerlei Müdigkeit war ihm anzumerken. In dem Augenblick, als Erenwin mit Lurdèa aus dem Frauenhaus kam, ging eine weitere Veränderung mit ihm vor.
»Genug gespielt!«, rief er. »Jetzt wird es ernst.« Und noch während seiner letzten Worte schwang er das Schwert, stieß es nach vorn und dem ihm am nächsten befindlichen Soldaten tief in den Leib.
Diese Ablenkung nutzte Jemuma, die gerade aus dem Frauenhaus kam, zur Flucht und riss einen Speer, der zur Dekoration an einem Schild befestigt war, an sich und folgte eilig den Geschwistern.
Die Wächter waren so überrascht und starr vor Entsetzen über Turéors tödlichen Angriff, dass sie einen weiteren wertvollen Augenblick verloren – und den nächsten Mann. Turéor zog die Klinge genauso schnell aus dem Soldaten, wie er sie hineingetrieben hatte, und noch während die Leiche in einer Blutwolke nach unten sank, führte er einen seitlichen Hieb und rammte die scharfe Schneide einem weiteren Wachmann in die Hüfte.
Endlich kamen die Soldaten zu sich, erinnerten sich an ihre Ausbildung, als ein weiterer Gefährte Blut spuckend davontrieb und im Wasser sich der beißender Geschmack des Todes ausbreitete.
»Alarm!«, rief der Soldat, der am weitesten entfernt war. »Der Fürst wird angegriffen!« Er warf sich herum – und entdeckte in diesem Moment Erenwin, der gerade das Tor entriegelte. Seine Stimme überschlug sich fast, als er noch lauter Alarm! schrie, und er
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