Navy Seals Team 6
spürte, dass ich Probleme bekommen würde. Ich signalisierte ihm mit dem Daumen, dass ich auftauchen wollte, doch er blickte mich weiterhin an. Der Wasserdruck schnürte mir den Brustkorb ein, mein Körper verlangte nach Luft. Ich wusste, worauf er aus war, aber ich wollte es ihm nicht geben. Die SEAL-Ausbilder waren gute Lehrer gewesen: Ich kann entweder selbst auftauchen oder du kannst meinen Körper nach oben schleppen, wenn ich ohnmächtig werde. Wie du willst. Er lächelte und gab mir das Zeichen zum Auftauchen, und zwar noch lange, bevor ich ohnmächtig wurde. Am liebsten wäre ich an die Oberfläche geschossen, aber ich wollte nicht zeigen, wie sehr ich in Panik war. Außerdem ist es taktisch nicht sehr klug, an die Oberfläche zu schießen. Also tauchte ich möglichst langsam auf. Bestanden. Nicht alle in meiner Klasse hatten so viel Glück, doch sie durften es noch einmal versuchen.
In der zweiten Phase, Landkrieg, standen verdeckte Infiltration, die Beseitigung von Wachposten und der richtige Umgang mit Agenten/Führern auf dem Lehrplan. Außerdem lernten wir, wie man Informationen sammelt, den Feind schnappt, Durchsuchungen vornimmt, mit Gefangenen umgeht, schießt, Dinge in die Luft sprengt usw. Als Kind hatte ich gelernt, viel Wert auf Details zu legen – wenn mein Vater nach Hause kam, durfte keine einzige Pekannuss mehr herumliegen, sonst wurde ich verprügelt. Nun bewahrte mich diese Detailgenauigkeit davor, erschossen oder in die Luft gejagt zu werden. Und sie ist auch der Grund, warum bei mir bis heute jeder Fallschirm funktioniert.
Wir zogen als Erste in die neue Kaserne ein, die ganz in der Nähe der sündhaft teuren Coronado-Apartments direkt am Strand lag. An einem Samstagnachmittag polierte ich in meinem Zimmer meine Dschungelkampfstiefel. Calisto, einer von zwei peruanischen Offizieren in der Kampfschwimmerausbildung, war ebenfalls mit von der Partie. Die beiden Peruaner absolvierten die komplette Ausbildung mit uns. Beide hatten bereits die peruanische Kampfschwimmerausbildung hinter sich gebracht, die identisch mit unserer war. Calisto und sein Kumpel arbeiteten schon fast zehn Jahre als SEALs und waren auch bei echten Einsätzen dabei gewesen. Sie erzählten uns viel über die Ausbildung.
Ich wollte von Calisto wissen: »Du bist in Peru doch schon ein SEAL, warum machst du das Ganze noch mal mit?«
»Muss hierher kommen, bevor ich SEAL-Ausbilder in Peru werden können.«
»Du bekommst dann also mehr Respekt …«
»Nicht Respekt. Mehr Geld.« Er hatte seine Familie mitgebracht und wohnte am Wochenende bei ihr in einer Wohnung in der Stadt. Sie kauften sehr viele Jeans und schickten sie nach Hause. Er würde hier so viel Geld verdienen, dass seine Familie zu Hause ein viel besseres Leben führen konnte.
Außer den beiden waren keine Offiziere mehr in unserer Klasse. Doch weil Calisto und sein Kumpel keine Amerikaner waren, konnten sie keine Führungsaufgaben übernehmen. Mike H. hatte den Dienstgrad eines E-5 und war unser Klassenvorstand. Er bekleidete zwar denselben Rang wie ich, doch war er älter. Kuchenesser (so nennen wir die Offiziere) hatten wir also keine. Das schien den Ausbildern zu gefallen.
Auf San Clemente Island war ich Gruppenführer und befahl meiner Gruppe einmal, das falsche Ziel anzugreifen. Das nächste Mal war Calisto unser Gruppenführer. Er konnte sich an Land hervorragend orientieren. Wir griffen die Ausbilder an, als sie noch am Lagerfeuer saßen und Maulaffen feilhielten. Unsere Truppe war so schnell, dass die Ausbilder noch nicht einmal ihre M-60 hergerichtet hatten. Davon waren sie überhaupt nicht begeistert. Deshalb änderten sie unsere Abzugsroute und wir mussten durch ein Kakteenfeld gehen. Anschließend musste der Sanitäter uns die Stacheln mit einer Pinzette herausziehen.
Bei der Nachbesprechung erklärten die Ausbilder: »Es tut uns leid, dass wir euch einen anderen Rückweg nehmen ließen, aber die ursprüngliche Abzugsroute war zu gefährlich.« Sie mussten einfach immer das letzte Wort haben.
An geraden Tagen absolvierten wir vor jeder Mahlzeit Läufe, an ungeraden machten wir Klimmzüge. An einem Tag wurde die Zahl der Klimmzüge von 19 auf 20 erhöht. Ich hatte wohl einen Aussetzer, denn ich ließ mich nach 19 Klimmzügen von der Stange fallen.
»Was zum Teufel machst du da, Wasdin?«, fragte ein Ausbilder. »Das waren erst 19.«
Ich wusste gar nicht, was er von mir wollte.
»Wir machen 20 Klimmzüge. Kannst du bis 20 zählen? Dann
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