Navy Seals Team 6
leg dich hin und zeig es mir.«
Ich machte 20 Liegestütze.
»Und nun zurück an die Stange. Ich will 20 Klimmzüge sehen.«
Doch das bekam er nicht. Ich schaffte noch drei oder vier, dann hatte ich keine Kraft mehr.
»Schnapp dir deine Einmannpackung und dann ab ins Meer.«
Ich musste mich ins kalte Meerwasser setzen und dort eine kalte Einmannpackung, eine Fertigmahlzeit, essen. Randy Clendening und noch ein paar andere durften mir Gesellschaft leisten. Wir froren uns fast die Eier ab.
Randy grinste.
»Was gibt’s denn da zu grinsen?«, wollte ich wissen. »Wir sitzen bis zum Hals in eisigem Wasser und essen kalte EPas.«
»Mach das mal jeden zweiten Tag.« Randy schaffte zwar immer die Zeitläufe, versagte aber bei den Klimmzügen. Jeden zweiten Tag saß er bis zum Hals im Wasser und aß eine kalte Einmannpackung – zum Frühstück, Mittagessen und Abendessen. Ihm war die Ausbildung wohl viel wichtiger als mir.
Danach schmuggelte ich an ungeraden Tagen Essen für ihn in die Kaserne, auch wenn ich dafür Schwierigkeiten mit den Ausbildern bekommen konnte. Auch andere brachten ihm etwas zu essen mit. Vor Typen wie Randy habe ich den allergrößten Respekt, denn sie strengen sich mehr an als die anderen, um die Kampfschwimmerausbildung nur irgendwie zu beenden. Mehr als die Gazellen, die immer vorneweg rennen, mehr als die Fische, die an der Spitze schwimmen, mehr als die Affen, die sich durch den Hindernisparcours schwingen – diese Underdogs hatten es richtig drauf.
Einer der berühmtesten Underdogs war Thomas Norris aus der BUD/S-Klasse 45. Norris wollte eigentlich zum FBI, wurde dann jedoch eingezogen. Er trat in die Marine ein und wollte Pilot werden, doch dafür sah er zu schlecht. Also ging er freiwillig in die SEAL-Ausbildung und gehörte beim Laufen und Schwimmen meist zu den Letzten. Die Ausbilder wollten ihn schon hinauswerfen, doch Norris gab nicht auf und landete schließlich beim SEAL Team Two.
Im April 1972 stürzte in Vietnam ein Überwachungsflugzeug mitten im Feindesgebiet ab. Über 30 000 Angehörige der NVA (Nordvietnamesische Volksarmee) bereiteten sich dort auf eine Osteroffensive vor. Nur ein Besatzungsmitglied des Flugzeugs überlebte den Absturz. Dies löste die teuerste Rettungsaktion des Vietnamkriegs aus: 14 Menschen kamen ums Leben, acht Flugzeuge stürzten ab, zwei Retter wurden gefangen genommen, zwei weitere saßen im Feindesgebiet fest. Dann fiel der Beschluss, dass eine Luftrettung in diesem Fall nicht möglich war.
Lieutenant Norris leitete einen fünfköpfigen vietnamesischen SEAL-Spähtrupp, ortete einen der Piloten des Überwachungsflugzeugs und brachte ihn zum vorgeschobenen Militärstützpunkt zurück. Die NVA reagierte mit einem Raketenangriff auf den vorgeschobenen Militärstützpunkt und tötete dabei unter anderem zwei vietnamesische SEALs.
Norris und die drei überlebenden vietnamesischen SEALs schafften es nicht, den zweiten Piloten zu retten. Da die Lage so aussichtslos war, wollten zwei vietnamesische SEALs an keiner weiteren Rettungsaktion mitwirken. Zusammen mit dem vietnamesischen SEAL Nguyen Van Kiet unternahm Norris einen erneuten Versuch – und scheiterte.
Am 12. April – ungefähr zehn Tage, nachdem das Flugzeug abgeschossen worden war – erfuhr Norris, wo sich der Pilot befand. Kiet und er verkleideten sich als Fischer und ruderten nachts in ihrem Sampan den nebligen Fluss hinauf. Im Morgengrauen fanden sie den Piloten am Flussufer unter Pflanzen versteckt, halfen ihm ins Boot und deckten ihn mit Bambus und Bananenblättern zu. Eine Gruppe feindlicher Soldaten entdeckte sie zwar, doch konnten die Vietnamesen nicht so schnell durch den dichten Dschungel laufen, wie Norris und sein Partner rudern konnten. Als die drei schon ganz in der Nähe des vorgeschobenen Militärstützpunkts waren, wurden sie von einem Spähtrupp der NVA entdeckt und aus Maschinengewehren beschossen. Norris ordnete einen Luftangriff an, um die Feinde am Boden zu halten und ihnen mit einer künstlichen Nebelwand die Sicht zu nehmen. Dann brachten Norris und Kiet den Piloten zum vorgeschobenen Militärstützpunkt, wo Norris Erste Hilfe leistete, bis der Pilot evakuiert werden konnte. Lieutenant Norris erhielt die Medal of Honor und Kiet bekam das Navy Cross, den höchsten Orden, den die Marine einem ausländischen Staatsbürger verleihen kann. Doch damit ist Norris’ Geschichte noch nicht zu Ende.
Ungefähr sechs Monate später blickte er erneut dem Tod ins Antlitz.
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