Navy Seals Team 6
sogar noch besser als mit Nadel und Faden. Dann schnitten wir Jute in ca. 2,5 Zentimeter breite und 22 Zentimeter lange Streifen, befestigten sie mit Überhandknoten am Netz und zogen so lange daran, bis die Jute ausfranste. Dann besprühten wir sie mit Farbe. Casanova und ich fügten noch echtes Laub ein, das wir unterhalb der Kniehöhe – dem Bereich, in dem sich ein Scharfschütze bewegt – von Büschen und Bäumen abnahmen. Wenn wir Laub aus höheren Lagen genommen hätten, wäre das bei einem Scharfschützen, der nahe am Boden kriecht, aufgefallen. Blätter und Jutestreifen durften auch nicht zu lang sein, denn sonst würden sie im Wind wehen wie eine Fahne. Blätter sind hier am besten geeignet, denn sie verwelken nicht so schnell. Gras wird am schnellsten welk – in ungefähr vier Stunden. Um den Gewehrkolben banden wir ein olivgrünes Dreieckstuch und verknoteten es mit einem Kreuzknoten, um die Umrisse der Waffe zu verschleiern. Auch um den Lauf und das Zielfernrohr banden wir ein Dreieckstuch, so ähnlich wie man einen Arm bandagiert. Mit Jutestreifen durchbrachen wir das eintönige Olivgrün des Dreieckstuchs. Ganz ähnlich tarnten wir auch den M-49-Sucher, unsere Ferngläser und andere Ausrüstungsgegenstände.
An unseren freien Wochenenden übten Casanova und ich uns in der Kunst des Unsichtbarmachens. Wir arbeiteten an unseren Ghillie-Anzügen und zogen sie an. Dann legten wir uns in verschiedenen Umgebungen hin und versuchten, einander zu entdecken. Den größten Teil unserer Freizeit verbrachten wir damit, unsere Tarnung zu perfektionieren.
Beim Anpirschen versagten die meisten Schüler. Wir mussten uns in verschiedenen Gegenden anpirschen und dabei unsere Farbmuster und Stoffe an die jeweilige Umgebung anpassen. Dabei wurde unser Sehvermögen herausgefordert. Mit bloßem Auge kann man ein riesiges Gesichtsfeld absuchen. Mit einem Fernglas kann man genauer hinsehen und hat dabei immer noch ein relativ großes Gesichtsfeld. Mit dem Zielfernrohr eines Scharfschützen sieht man noch ein wenig genauer als mit dem Fernglas, doch das Gesichtsfeld ist wesentlich eingeschränkter. Das Aufklärungsfernrohr bietet schließlich die beste Vergrößerung und der Scharfschütze kann damit Objekte aus nächster Nähe untersuchen. Es hat jedoch auch ein sehr begrenztes Gesichtsfeld.
Je näher ein Scharfschütze seinem Ziel kommt, desto langsamer bewegt er sich. Drei Kilometer vom Ziel entfernt schleicht sich der Scharfschütze geschmeidig und schnell von Deckung zu Deckung, zwei ganze Kilometer lang. Den nächsten Kilometer wird er noch vorsichtiger und passt sich an die Schutz- und Deckungsmöglichkeiten des Geländes an. Auf dem letzten Kilometer vor dem Ziel bewegt sich der Scharfschütze unglaublich vorsichtig – er kriecht ganz dicht am Boden entlang. Die rechte Hand bewegt sich in 30 Sekunden nur 30 Zentimeter vorwärts. Dann bewegt sich die linke Hand ebenso langsam.
Manchmal haben Scharfschützen bereits eine Spur gelegt. Das hat den Vorteil, dass die Pflanzen bereits niedergedrückt sind, sodass man nicht wertvolle Sekunden damit verschwenden muss, jeden Busch oder jeden Grashalm vorsichtig zu Boden zu drücken.
In drei bis vier Stunden mussten wir uns über eine Strecke von 800 bis 1200 Metern anpirschen, bis wir uns etwa 200 Meter vor dem Beobachter an der Beobachtungsstelle befanden. Wenn uns der Beobachter durch sein Aufklärungsfernrohr entdeckte, bevor wir bis auf 200 Meter an unsere Beobachtungsstelle herangekommen waren, bekamen wir nur 40 von 100 möglichen Punkten – durchgefallen.
Sah der Beobachter, wie sich ein Busch bewegte, funkte er zu einem der Läufer: »Läufer, nach links. Drei Meter vorwärts. Stehen bleiben. Nach rechts gehen. Einen Meter. Stehen bleiben. Scharfschütze vor den Füßen.« Jeder Scharfschütze, der sich in einem Umkreis von 30 Zentimetern um den Läufer befand, war aufgeflogen. Wer aufflog, war normalerweise bis zu den erforderlichen 200 Metern an ihn herangekommen. Der Scharfschütze stand dann auf, nahm sein Gewehr und ging zum Bus. 50 Punkte – durchgefallen.
Wenn wir unsere endgültige Schussposition erreicht hatten und weniger als 200 Meter vom Beobachter entfernt waren, mussten wir unsere Waffe rüsten und mit einer Platzpatrone auf den Beobachter schießen. Konnte der Scharfschütze den Beobachter nicht eindeutig identifizieren, Windabweichung und Höhenrichtbereich nicht richtig bestimmen oder nicht von einer stabilen Unterlage aus schießen,
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