Navy Seals Team 6
bekamen wir eine allgemeine Einführung in den Kurs.
Am nächsten Tag stand ein Gunnery Sergeant vor uns im Schulhaus. Er schien Anfang 40 zu sein und hatte die typische Frisur der Marineinfanterie. Er gehörte zu den President’s Hundred, den 100 besten Präzisionsschützen aus dem Zivilleben und dem Militär in der jährlichen President’s Match Pistol and Rifle Competition, einem hoch angesehenen Schießwettbewerb. Unter unseren Ausbildern befanden sich Kriegsveteranen ebenso wie entspannte Gurus – es war ein Kader vom höchsten Kaliber.
»Ein Scharfschütze hat zwei Aufträge«, sagte der Gunnery Sergeant. »Der erste ist, Kampfeinsätze zu unterstützen, indem er aus versteckten Positionen Präzisionsschüsse auf ausgewählte Ziele abgibt. Ein Scharfschütze schießt nicht einfach auf irgendein Ziel – er schaltet die Ziele aus und hilft so, den Kampf zu gewinnen: Diese Ziele können Offiziere, Unteroffiziere, Späher, Waffenpersonal, Panzerkommandanten, Kommunikationspersonal und andere Scharfschützen sein. Sein zweiter Auftrag, für den der Scharfschütze viel Zeit braucht, ist die Beobachtung. Das Sammeln von Informationen.«
Auf der Schießanlage arbeitete ich mit Casanova zusammen. Abwechselnd waren wir Aufklärer und Schütze. Als Gewehr hatten wir das M-40 der Marineinfanterie, ein Remington 700 Kammerverschluss .308 Kaliber (7,62 x 51 mm) mit einem schweren Lauf, in dem fünf Patronen Platz hatten. Auf das Gewehr war ein Unertl-10-Scharfschützen-Zielfernrohr montiert. Ich war zuerst mit Schießen dran, also stellte ich das Zielfernrohr scharf. Dann stellte ich den Geschossfallausgleich an meinem Zielfernrohr ein. Damit wurde die Wirkung der Schwerkraft ausgeglichen, die auf die Kugel wirkt, bevor sie ihr 300 Meter weit entferntes Ziel erreicht. Wenn ich die Entfernung änderte, musste ich diesen Wert ebenfalls ändern.
Casanova blickte durch seinen M-49-20-Sucher, der auf einem Stativ stand. Ohne Stativ verwackelt schon die leichteste Handbewegung das Bild, weil das Fernrohr so stark vergrößert. Mithilfe des Fernrohrs schätzte Casanova die Windgeschwindigkeit, die die Arbeit eines Scharfschützen oft erschweren kann.
Windfahnen können bei der Bestimmung der Windgeschwindigkeit helfen. Sie geben mit ihrem Winkel die Windgeschwindigkeit an. Hängt eine Fahne in einem Winkel von 80 Grad, muss man diese Zahl durch die Konstante vier teilen – und erhält dann 20 Meilen (32 Kilometer) pro Stunde. Hängt die Fahne dagegen nur in einem 40-Grad-Winkel, ergibt 40 geteilt durch vier eine Windgeschwindigkeit von zehn Meilen (16 Kilometer) pro Stunde.
Ohne Fahne kann der Scharfschütze seine Beobachtungsgabe nutzen. Ein Wind, den man zwar kaum spürt, der aber den Rauch schon verweht, hat eine Geschwindigkeit von unter fünf Kilometern pro Stunde. Leichter Wind hat eine Geschwindigkeit von fünf bis acht Kilometern pro Stunde. Wind, der ständig Blätter aufwirbelt, hat eine Geschwindigkeit von acht bis 13 Kilometern pro Stunde. Staub und Müll beginnen bei einer Stärke von 13 bis 19 Kilometer pro Stunde zu fliegen. Bäume wiegen sich bei 19 bis 24 Kilometer pro Stunde im Wind.
Außerdem kann ein Scharfschütze sein Aufklärungsfernrohr einsetzen. Wenn die Sonne die Erde erhitzt, bildet die Luft über der Oberfläche kleine Wellen. Der Wind bläst diese Wellen in seine Richtung. Um die Wellen zu sehen, konzentriert sich der Scharfschütze auf ein Objekt in der Nähe des Ziels. Dann dreht er das Okular eine Viertelumdrehung gegen den Uhrzeigersinn und konzentriert sich auf die Fläche vor dem Ziel. Dadurch werden die Hitzewellen sichtbar. Langsamer Wind verursacht große Wellen, schneller Wind macht sie kleiner. Doch wer auf diese Weise die Windgeschwindigkeit bestimmen will, braucht viel Übung.
Wind, der direkt von links nach rechts oder von rechts nach links weht, hat die größten Auswirkungen auf einen Schuss. Schräger Wind von links nach rechts oder von rechts nach links ist nicht ganz so dramatisch. Wind von vorne nach hinten oder von hinten nach vorne hat die geringsten Auswirkungen auf einen Schuss.
Casanova teilte mir die Windgeschwindigkeit mit: »Fünf Meilen (acht Kilometer) pro Stunde, von links nach rechts.« Drei(-hundert) Meter Entfernung mal fünf Meilen (acht Kilometer) pro Stunde ergibt 15; 15 geteilt durch die Konstante 15 ergibt eins. Ich drehte die waagrechte Linie des Fadenkreuzes in meinem Zielfernrohr einen Tick nach links. Würde die Windabweichung zwei von rechts
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