Navy Seals Team 6
vor, ein verdunkelter Kleinbus mit einem Kennzeichen aus Virginia, so ähnlich wie der hier« – er zeigte auf unseren Bus – »hielt neben ihnen an. Plötzlich tauchten acht durchtrainierte Typen auf, so ähnlich wie ihr, umzingelten sie wie Indianer auf dem Kriegspfad und verprügelten sie, einfach so, ohne Grund. Also ließen wir die drei in den 7-Eleven und durchsuchten ihn 20 Minuten lang, aber ihre Klamotten fanden wir nicht.«
Wir hatten auf dem Rückweg so gelacht, dass wir komplett vergessen hatten, beim 7-Eleven anzuhalten. Die Schuhe und die Hosen waren immer noch in unserem Bus.
Der Polizist fuhr fort: »Bevor ich ging, sagte einer der Männer: › Da hast du’s, John. Ich hab dir schon immer gesagt, dass uns deine Klappe mal in Schwierigkeiten bringen wird. ‹ Dann verprügelten die beiden anderen John vor den Zapfsäulen, immer noch in Unterwäsche. Wir trennten sie und fragten, was sie mit › große Klappe bringt uns in Schwierigkeiten ‹ meinten, aber sie sagten gar nichts mehr.« Der Polizist schüttelte den Kopf: »Könnt ihr euch das vorstellen?«
Wir sagten gar nichts. Nach einem kurzen Moment betretenen Schweigens begannen wir mit unseren Morgenübungen.
Später am Nachmittag sagte der Polizist: »Wenn sich jemand wie ein Idiot aufführt, braucht er manchmal eine Tracht Prügel. Wer auch immer die Typen in dem schwarzen Bus waren: Vielleicht haben sie den Männern das Leben gerettet, denn andere haben vielleicht nicht so viel Geduld mit stänkernden Rednecks.«
Wir stimmten ihm höflich zu und nickten.
Obwohl ich noch ein Neuling war, suchte ich schon nach der nächsten Herausforderung: Ich wollte Scharfschütze werden. Ich war ein Adrenalinjunkie, so viel war klar. Doch nach den Regeln des SEAL Team Six konnten wir uns erst als Scharfschützen bewerben, wenn wir drei Jahre lang in unserem Farbteam gedient hatten.
Im Herbst 1992 beantragte ich, die Scharfschützenschule durchlaufen zu dürfen. Der Leiter unseres Red Team, Denny Chalker, sagte zu mir: »Du bist eine großartige Spezialeinsatzkraft, aber du bist noch nicht lange genug im Team. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass du drei Jahre lang dabei sein musst, bevor du Scharfschütze werden kannst. Außerdem will dich der Leiter deiner Bootsmannschaft nicht verlieren.«
Doch das Red Team hatte nur zwei Scharfschützen und wir brauchten vier bis sechs. Dass ich ein fantastischer Schütze war, schadete sicher auch nicht. Eine Woche später sagte Denny: »Weißt du was? Wir haben es uns anders überlegt – du kannst es machen. Wir schicken dich und Casanova zur Scharfschützenausbildung.«
Wir würden zwar im Red Team bleiben, gleichzeitig aber auch zum Black Team gehören – den Scharfschützen. Casanova und ich hätten zwischen drei Schulen wählen können. Die SEALs hatten sich eine eigene kleine Scharfschützenschule eingerichtet. Dann gab es noch den Special Operations Target Interdiction Course der Army, einen Kurs in der Zielabriegelung für Spezialeinheiten, in Fort Bragg/North Carolina. Die Marineinfanterie bot das Gleiche in Quantico/Virginia an. Ich wusste, dass die Scharfschützenschule der Marineinfanterie am härtesten sein würde – wie eine Miniversion der Kampfschwimmerausbildung –, aber sie konnte auch auf die längste Tradition zurückblicken. Außerdem genoss sie das höchste Ansehen und, noch wichtiger, den besten Ruf auf der ganzen Welt.
Also ging ich zum Stützpunkt des Marineinfanteriekorps in Quantico, der beinahe 260 Quadratkilometer groß ist und am Ufer des Potomac in Virginia liegt. Auf dem Stützpunkt befinden sich auch die Ausbildungszentren des FBI und der Drug Enforcement Administration (DEA), der Drogenbekämpfungsbehörde der USA. Versteckt in einer Ecke des Stützpunkts, direkt neben dem Carlos Hathcock Highway, liegt die Scharfschützenschule Scout Sniper School, die anspruchsvollste Schule des Marineinfanteriekorps. Nur wenige werden dort aufgenommen und nur die Hälfte der Teilnehmer besteht auch.
Der zehnwöchige Kurs ist in drei Phasen gegliedert. Am ersten Tag der Phase eins, Präzisionsschießen und grundlegende Feldtechniken, mussten wir einen Fitnesstest ablegen, unsere Ausrüstung anmelden und unsere Unterlagen einreichen. Wer beim Fitnesstest durchfiel, musste sofort gehen und bekam keine zweite Chance.
Nachdem feststand, wer bleiben durfte, nahmen wir im sogenannten Schulhaus Platz, einem Betongebäude mit verdunkelten Fenstern und einem einzigen Klassenzimmer. Dort
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