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Nebelgrab (German Edition)

Nebelgrab (German Edition)

Titel: Nebelgrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Klein
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hatte sie das Gefühl, alle Beweise ihres Könnens seien nicht ausreichend. Unter den Mitarbeitern gab es immer einige, die sich mit dem frischen Wind im Haus schwer taten, die anfällig waren für intrigantes Verhalten; labile Persönlichkeiten, die schwer zufriedenzustellen waren. Doch Zufriedenheit für alle war Maries ehrgeiziges Ziel.
    Marie öffnete mit Elan die Tür zum Besucherraum. »Guten Tag zusammen, mein Name ist Marie Lorenz. Wir haben miteinander telefoniert.« In der folgenden Viertelstunde beantwortete sie alle Fragen des Ehepaares, das eine neue Bleibe für ein Elternteil suchte, und zeigte anschließend das Gebäude. Am Ende des Rundganges besuchten sie das oberste Stockwerk.
»Und hier befinden wir uns auf der Etage Dachstübchen«, sagte sie, als sich die Fahrstuhltür öffnete. »Wie Sie sehen, haben wir den Aufenthaltsraum hier optisch abgetrennt, damit die Bewohner sich in Ruhe unterhalten können – guten Tag, Frau Schüttler«, begrüßte sie eine in der Flurnische sitzende Frau, die mit Strickzeug in den Händen den Chansons aus einem Radio lauschte.
    »Ach, die Frau Lorenz«, erwiderte die Seniorin und ließ für einen Moment ihre Hände in den Schoß sinken, »ob Sie wohl so freundlich sind und mir meine Jacke aus der Wohnung holen? Ist doch ein wenig frisch geworden.«
    »Natürlich, gerne. Wo finde ich sie? Auf dem Stuhl beim Fenster?«
    Frau Schüttler nickte. Zum Ehepaar gewandt sagte Marie: »Dann kann ich Ihnen auch gleich eine Wohnung zeigen, die morgen erst bezogen wird, gleich nebenan von Frau Schüttler. Die Wohnungen sind alle unterschiedlich im Grundriss, aber ähnlich in der Ausstattung.«
    Marie erläuterte den Besuchern die Besonderheiten des Hauses, das dem Denkmalschutz unterlag, während sie einige Wohnungstüren passierten. Viele Details des Interieurs waren Originale von Anfang des 20. Jahrhunderts, so auch die Türen, die mit ihren Metallbeschlägen eher an die Ausstattung einer Burg erinnerten. Schließlich blieben sie in einem Nebenflur vor einer Tür stehen. Marie holte ihren Schlüssel hervor.
    »Ich hole rasch die Jacke, Augenblick bitte.« Sie öffnete und stutzte, als sie jemanden im Innern der Wohnung erblickte. »Herr Joosten, was machen Sie denn hier?«
    Arie Joosten, dessen Namensschild ihn als Altenpfleger auswies, richtete sich beim Öffnen der Tür hastig auf. Sein Knie schob die Schublade einer Kommode zu, und er strich sich fahrig seine blonden Haare aus der Stirn.
    »Oh, Frau Lorenz, ich, äh, ich suche die Brille von Frau Schüttler. Na, hab sie nicht gefunden, dann geh’ ich mal wieder.«
    Er zuckte mit den Schultern, schob sich an Marie vorbei auf den Flur und verschwand eilig. Draußen hörte Marie die Besucherin leise zu ihrem Mann sagen: »Die alte Frau hatte die Brille doch auf der Nase, da kann er sie ja nicht finden.«
    Nachdenklich griff Marie nach der Jacke.

Besuch für Martha Schüttler
    »Frau Schüttler, da sind Sie ja! Sie haben Besuch!«
    Die freundlich lächelnde Altenpflegerin winkte Adrian herbei, der mit Blumen in der Hand schon eine geschlagene Viertelstunde auf den verschiedenen Etagen des Gebäudes herumgelaufen war, um seine Tante zu finden. Nachdem sich die Pflegerin seiner erbarmt hatte und geräuschvoll über die Gänge gelaufen war, in alle möglichen Räume und Nischen geschaut hatte und dabei von Adrian wie von einem Hündchen verfolgt wurde, wedelte sie jetzt wild mit der Hand, um ihn zum Näherkommen zu bewegen. Mit einem Aufseufzen erblickte er Martha am Ende eines langen Tisches in einer kleinen Gemeinschaftsküche, die von einer Gruppe Senioren und ihrer Betreuerin zum Weckmannbacken benutzt wurde.
    »Adrian! Na so was! Waren wir schon so früh verabredet?«, rief die alte Frau erstaunt aus und stand mühsam auf. Sie zog ihre Plastikschürze aus und legte sie zerknüllt auf den Tisch. Andere Senioren erhoben sich ebenso beschwerlich und die, die in Rollstühlen saßen, wurden von der Betreuerin zur Seite geschoben, damit Martha Schüttler hinausgehen konnte.
    Adrian stand im Türrahmen und trat unbehaglich von einem Bein aufs andere. Er hätte doch später kommen sollen, aber im Stadtarchiv war er schneller mit seiner Recherche vorangekommen, als er erwartet hatte. Jetzt musste er feststellen, dass er, entgegen seiner Vorstellung von einem beschäftigungslosen Tag im Altenheim, eine Aktivität störte, was offensichtlich Unruhe verursachte. Er trat einen Schritt zurück und versuchte seine Ungeduld zu zügeln,

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