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Nebelgrab (German Edition)

Nebelgrab (German Edition)

Titel: Nebelgrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Klein
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Habgier und Morden und – das war der Knackpunkt dabei – beantwortete einige Fragen mit Fakten.
    Es würde einige Mitmenschen in die Enge treiben. Doch die Anzahl derer, die Kenntnisse von den Geschehnissen hatten, wurde stetig kleiner – das Gesetz der Zeit. Bald würde es niemanden mehr geben, der die Figuren im Roman wiedererkennen würde; dann wäre Ruhe. Aber was wusste Konrad schon von den Nachfahren der Betroffenen? Vielleicht hatte man die Geheimnisse jener Zeit weitererzählt? Wenn es so war, befand sich Konrad Wiedener auf dünnem Eis. Zumal die Sache mit der Habgier noch nicht ausgestanden war; das wusste er, seitdem er diesen Artikel über die Düsseldorfer Antiquitätenhändler gelesen hatte.
    Er wusste Antworten, gab sie aber aus gutem Grund nicht vorzeitig preis. Es gab immer jemanden, der Ansprüche stellte; Ansprüche auf ein Erbe, das niemandem zustand. Ein Erbe, das besser in der Schwärze der Ungewissheit verborgen bleiben sollte.
    Doch die Möglichkeit einer Veröffentlichung seines Romans und die damit verbundene Reputation hatten Konrad geködert, seit er den ersten Satz geschrieben hatte. Es war wie ein unsichtbarer Motor, der ihn antrieb. Sein Freund und früherer Kollege Martin Hecker hatte trotz seiner Beziehungen zur rheinischen Verlagslandschaft kaum Erfolg gehabt, Interesse an seinem Regionalroman zu wecken. Selbst die NiederRheinWoche, die ohne Hecker gar nicht existieren würde, tat sich schwer mit einem Artikel. Konrad hatte sich in den letzten Wochen wie im Fieber bei allen Zeitungen der Region zum Interview angeboten. Mit flatternden Gedanken, ohne die Konsequenzen zu kalkulieren, trieb er sein Projekt Veröffentlichung voran. Doch er wusste: Im Falle eines Erfolges sollte er besser seinen lange aufgeschobenen Urlaub antreten.
    Er massierte sich kurz die Stirn, wie um Zweifel zu zerstreuen, und begab sich an einen Stapel Briefumschläge …
    »Herr Professor? Das Essen ist fertig!«, sagte seine Haushälterin mit Nachdruck.
    Mit schuldhafter Miene blickte Wiedener zur Tür. »Frau Stein, natürlich, ich komme schon. Ich musste nur mit meinem Freund Martin reden.«
    »Ach, Herr Professor, diese Sache scheint Sie doch mehr zu belasten, als Sie zugeben, nicht wahr?« Die Haushälterin faltete ihre Hände vor dem Bauch und legte den Kopf mit dem grauen Haarknoten im Nacken schief. »Sind Sie denn überhaupt hungrig? Ich habe Schweinebraten zubereitet, es wäre schade, wenn …«
    »Ja, ich komme«, sagte der alte Mann laut und ließ den Stapel Briefumschläge liegen.

Süchteln
    Süchteln ist ein unbedeutendes Städtchen nahe der niederländischen Grenze, das zwischen dem einzigen Höhenzug der Gegend, dem Hohen Busch, und dem Flüsschen Niers eingebettet liegt. Alles unbedeutend, zwar landschaftlich auffällig, aber wiederum nicht so auffällig, dass etwa Touristen von weither angereist kämen, um die Natur zu erleben. Aber, was für die Menschen hier wichtig ist: Die Gegend ist von freundlichem Charakter, geeignet dazu, Heimat zu sein.
    Der Besucher Süchtelns ist vielleicht erstaunt über das üppig vorhandene städtische Grün, das sich seinem Auge bietet. Die Stadt selber zehrt vom Wald, der sich als »Hoher Busch« bis Viersen im Süden zieht und gemeinhin als »grüne Lunge« bezeichnet wird, was nicht sonderlich originell ist, aber zum guten Ansehen einer Stadt gehört wie die Kirche ins Dorf. Zum Norden hin lässt es sich bis zum verträumten Örtchen Dornbusch fast durchgängig durch Wald und Feld laufen; durch den Wald, in dem sich schon vor langer Zeit ein Klinikum eingenistet hat. Psychiatrische Behandlung in Süchteln ist längst nicht nur stadtbekannt, sondern wird weit über die Region hinaus geschätzt.
    Also ist Süchteln doch nicht so unbedeutend, wie es den Anschein hat? Die Menschen, die immer schon hier gelebt haben, haben ihre Wurzeln so tief in der Erde, dass sie fast bis ans Grundwasser reichen. Mit Stolz pflegen sie ihre Heimat und deren Vergangenheit und brüsten sich immer noch mit den allerletzten Funken des einst strahlenden Lichtes der Textilindustrie. Denn Süchteln war eine Weberstadt, sehr bedeutend und prosperierend, vielleicht sogar mit Krefeld vergleichbar. Doch das ist lange her. Weberhaus und Weberbrunnen im Zentrum stehen mit ihren Namen als Mahnmal und letzte Lichtquelle, deren blasser Schimmer wohl niemals vergehen wird.
    Auch der Lichtstrahl in der Welt der Literaten, den Albert Vigoleis Thelen erzeugt hat, wird wohl noch eine Weile zu

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