Nebelriss
die Tathrilya gründete, entstand eine Gemeinschaft der Auserwählten, eine Priesterschaft der Zauberer! Doch dann verriet Durta Slargin seine eigenen Grundsätze und machte aus unserem Orden eine lächerliche Kirche, die das einfache Volk mit der Lüge kaufte, es könne an Tathrils Gnade teilhaben. Welch ein Betrug! Tathrils einzige Gnade war es, uns siebenhundert Jahre später den Propheten zu senden, Bathos den Scharfzüngigen, der diesen Betrug entlarvte; der uns daran erinnerte, dass nur ein Zauberer zum Priester des Tathril werden kann. Für diese Wahrheit haben sie den Propheten eingekerkert und ermordet; doch seine Worte lebten im Gedenken der wahren Gläubigen weiter. Die Tathrilya hatte längst den Pfad Tathrils verlassen; allein die Schüler des Bathos bewahrten den rechten Glauben!« Er streckte seine Hand aus und presste sie auf den marmornen Stein. Ein Zischen erklang, und schwarzer Rauch drang zwischen den knochigen Fingern hervor. »Wir sind die wahre Priesterschaft! Die Tathrilya hat uns ausgestoßen und verfolgt, bis sie glaubte, uns vernichtet zu haben. Doch unsere Gemeinschaft hat die Jahrhunderte im Verborgenen überdauert. Die Bathaquar existiert! Sie lebt und wird zur Macht zurückkehren, die ihr von Tathril übertragen wurde.« Er zog seine Hand zurück. Auf dem Marmor hatte sich der Abdruck seiner Finger eingebrannt. »Einst warst du selbst ein Mitglied der Bathaquar. Wir haben dich mit der Zauberei vertraut gemacht, obwohl deine Fähigkeiten schwach waren. Wir haben dir die Geheimnisse der Magie eröffnet …«
»… weil ihr mich gebraucht habt«, fauchte Balicor. »Ihr wart ein versprengter, armseliger Haufen heruntergekommener Zauberer aus Troublinien, die sich ihre Kraft aus den äußeren Schichten der Logenquellen zusammenraubten. Ich hingegen war Tempelvorsteher in Miras Are und ermöglichte euch den Zugang zur Quelle. Ohne meine Hilfe wären all eure Rituale gescheitert!«
Rumos musterte ihn kalt. »Ja, wir brauchten dich - vor allem, weil wir deinen Ehrgeiz und deine Skrupellosigkeit erkannt hatten. Ich hätte es zwar nicht für möglich gehalten, dass du trotz deiner mangelhaften Begabung zum Kurator von Morthyl und schließlich zum Erzprior von Thax aufsteigen würdest, doch mir war bewusst, dass du ein hohes Amt in der Kirche anstrebst. Ja, wir brauchten dich; doch vergiss nicht, dass auch du lange von der Macht der Bathaquar gezehrt hast. Als unser Bruder hättest du alles erreichen können, du Narr! Doch du hast den Verrat gewählt!«
»Ich habe auch ohne die Bathaquar alles erreicht«, rief Balicor triumphierend. »Ich habe dem Wahnsinn, dem ihr erlegen wart, ein Ende gemacht.«
»Du hattest Angst, dass die Bathaquar deinen weiteren Aufstieg behindern könnte«, warf ihm Rumos vor. »Deshalb hast du mich und meine Brüder ermordet, mit einer Niedertracht, die seinesgleichen sucht. Mein Respekt, Bars Balicor! Doch wie du siehst, schlug dein Plan fehl. Ich lebe! Und während du dir das Amt des Erzpriors erschlichen hast, erwachte die Bathaquar zu neuer Stärke! Unsere Macht ist größer als je zuvor. Die gesamte Tathril-Kirche von Troublinien ist in unserer Hand.«
»Was haben die Troublinier euch denn außer den roten Kutten gegeben?«, stieß Balicor hervor. »Oder habt ihr ihnen selbst die mit klingender Münze abkaufen müssen?«
Rumos packte die Schulter des Erzpriors. Balicor spürte die aufwallende Hitze, die von der Hand ausging; eine innere Glut, die in Rumos' Fingern pulsierte. »Wie gern würde ich deinen hässlichen Schädel gegen diese Götzensäule schmettern, bis dein Blut die gesamte Halle besudelt; oh, es wäre mir die größte Freude! Doch ich bin nicht gekommen, um Rache zu nehmen.« Er beugte sich zu dem Erzprior herab. »Kennst du noch die Worte unseres Schwurs? Kennst du sie noch?« Er blickte zu seinen Begleitern, die ihn umringten; und diese öffneten die Lippen und begannen mit leiser Stimme:
»Der Rosenstock trägt keine Blüten mehr
und Mondschlund schweigt
noch herrscht der Tag
doch bald sinkt schwer die Finsternis in unsre Sinne
und hüllt in Schatten, was kein Mensch erblicken darf…«
»Kennst du die Worte noch?«, flüsterte Rumos.
Bars Balicor nickte. »Die Prophezeiung des Bathos. Die verbotene Schrift des Propheten.« Er blickte zu den Bathaquari, die mit raunenden Stimmen fortfuhren:
»Der Schleier fällt
und Nebel dringt aus längst zergangnen Welten
er weht mit Zorn durch Hallen, die kein Schwert mehr trägt
in Gold gegossen bricht
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