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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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hervor. Seine Stimme zitterte. »Tathril sei uns allen gnädig!« »Schrei nach Tathril, solange du willst«, höhnte der Troublinier. »Er wird dich gewiss erhören an diesem heiligen Ort. Und wenn nicht, dann kriech doch an dieser Steinsäule empor. Vielleicht findest du ihn dort oben.« Er schritt auf Bars Balicor zu, und dieser wich vor ihm zurück. »Hättest du es jemals für möglich gehalten, dass wir uns hier im Tempel von Thax wieder sehen - ich im Gewand eines troublinischen Kaufmanns und du in der weißen Robe des Erzpriors; ich mit stolz erhobenem Haupt und du schlotternd vor Angst? Welche Ironie!« »Nein … es kann nicht sein«, flüsterte Bars Balicor. Er stieß mit dem Rücken an die Marmorsäule. Er konnte ihre Kälte durch sein Gewand spüren. »Es ist unmöglich! Ich habe dich getötet!«
    »Nicht ganz, wie du siehst«, gab Rumos zurück. »Um mich zu töten, bedarf es eines weiseren Menschen! Auch deine Leibwächterin musste diese schmerzhafte Erfahrung machen.« Er ließ seinen Blick neugierig durch die Weihungshalle schweifen. »Wo ist sie überhaupt, die gyranische Meuchlerin? Ist ihre Schwerthand noch nicht verheilt, die sie törichterweise in eine allzu heiße Flamme hielt? Ist die Tathrilya so knauserig mit ihren Heilkräuterchen, dass sie keines mehr für eine so begabte Hand übrig hat? Dabei werft ihr doch heute eure Kräuter sogar unter das gemeine Volk.« Er musterte den Erzprior voller Häme. »Genug davon. Sie kann dir ohnehin nicht helfen.«
    »Bleib stehen, Rumos!«, schrie Balicor, »keinen Schritt weiter, oder ich werde die Tempelritter rufen, damit sie dich …«
    »Mich töten?« Rumos ließ ein heiseres Lachen erklingen, und seine Begleiter stimmten in das Gelächter ein. »Hast du noch immer nicht begriffen?« Er packte den Kragen von Bars Balicors Robe. Der Seidenstoff riss mit fauchendem Geräusch. »Erinnerst du dich, wie ich vor dir kniete, um von dir den Segen zu erhalten, den brüderlichen Segen unserer Gemeinschaft? Erinnerst du dich, wie ich zu dir aufblickte und darauf wartete, dass du mit dem Dolch das Zeichen über meine Lippen ritzt, damit mein Blut den Pakt zwischen uns besiegelt? Erinnerst du dich, wie du den Dolch an meinen Mund führtest, wie deine Hand zögerte, wie sie schließlich tiefer sank und mir den Dolch durch die Kehle stieß?« Rumos' Begleiter standen nun neben ihm; sie packten Balicor und drückten ihn gegen die Marmorsäule. »Erinnerst du dich daran, Bars Balicor?«, zischte Rumos. »Und weißt du, was es für ein Gefühl ist, einen Dolch in der Kehle zu spüren - zu spüren, wie er dir den Atem zerschneidet, wie dein eigenes Blut an deiner Brust herab läuft, wie dir schlagartig bewusst wird, dass dein Ende gekommen ist? Ahnst du, wie ich mich in diesem Augenblick fühlte?« Seine Augen flackerten im raschen Wechsel von Hass und schmerzvoller Erinnerung. »Doch es war sinnlos. Deine Tat kam zu spät! Du konntest nicht wissen, dass ich zu diesem Zeitpunkt bereits die Grenze überschritten hatte; dass ich das Ritual der Ewigen Flamme ohne dein Zutun ausgeführt hatte, um den Tod zu besiegen. Du hättest mich früher töten sollen, Balicor, als du noch die Macht dazu hattest.« »Wie konnte dir das Ritual ohne meine Hilfe gelingen?«, flüsterte Bars Balicor. »Nur ich hatte Zugang zu der Quelle von Miras Are! Keiner von euch war ein Priester der Tathrilya! Keiner von euch konnte auf die Macht der Quelle zurückgreifen!«
    »Deine jämmerliche Quelle brauchten wir damals längst nicht mehr«, höhnte Rumos. »Tathril hat uns die Erleuchtung geschenkt, so wie der Prophet es uns weissagte! Dein Fehler war es, seinen Worten keinen Glauben zu schenken; du hast an der Wahrheit gezweifelt und dich lieber den falschen Lehren der Tathrilya zugewandt! Du hast all den Unsinn geglaubt, den die Kirche seit Jahrhunderten verbreitet. Wann erkennst du endlich, dass du einer Lüge gefolgt bist? Tathril ist nicht in marmornen Säulen und magischen Quellen zu finden. Er hat die Magie nicht den Gläubigen und Demütigen geschenkt! Der Prophet sprach die Wahrheit, als er sagte, dass Tathril in uns wohne - in unseren Köpfen, in unseren Gedanken - und dass er die Magie nur den Erwählten verleihe. Er ist kein Gott der Schwachen und Gewöhnlichen; er ist der Gott der Zauberer, der Mächtigen, der Herrschenden!« Rumos' Blick wanderte verächtlich zur Spitze der Marmornen Säule auf. »Als Durta Slargin, der erste Erleuchtete der Menschheit, die Quellen bändigte und

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