Nebelriss
verunsichern. Wie soll ich mich entscheiden? Wähle ich den Frieden oder den Krieg? Beuge ich mich der goldeischen Streitmacht oder trete ich ihr entgegen?«
»Wir können sie besiegen«, beschwor Baniter sie. Er ließ den Goldei nicht aus den Augen. »Gemeinsam sind unsere Länder stark genug, um die Echsen zu schlagen!«
Der Goldei wandte den Schädel. Seine Augen schimmerten schwarz und kalt im Licht der Flammen, die noch immer aus der Feuerschale emporschlugen. »Ihr kämpft vergebens«, vernahm Baniter eine heisere Stimme, »seid machtlos gegen uns. Werdet sterben, wenn ihr euch nicht unterwerft.«
Intharas Blick fiel auf Lyndolin Sintiguren, die neben Baniter saß. »Welchen Rat gebt Ihr mir, weise Sängerin? Euer Lied am Ufer des Nesfer hat mein Herz bewegt und meine Zweifel genährt. Wie soll ich mich entscheiden?«
Lyndolin Sintiguren blickte auf. »Ich kann mir kein Urteil anmaßen, meine Königin«, sagte sie leise. Sie zog die Sternkarte hervor, die zusammengerollt auf ihrem Schoß lag. »Doch ich folgte Eurem Wunsch, den Lauf der Gestirne zu beobachten. Unser aller Schicksal ist vorherbestimmt, und die Sterne weisen uns den Weg.« Baniter fuhr zu der Dichterin herum. Seine grünen Augen sprühten Gift und Galle. »Bin ich nur von Verrätern umgeben?«, fauchte er. »Habe ich Euch nicht befohlen, Eure Prophezeiungen für Euch zu behalten?« Die alte Frau wich seinem Blick aus. »Es tut mir Leid, Fürst Baniter, doch der Macht des Schicksals kann sich niemand entziehen. Ich kam nach Arphat, um einen Krieg zu verhindern, und dies werde ich mit den Mitteln tun, die mir zur Verfügung stehen.«
»Ihr setzt Euch über mein ausdrückliches Verbot hinweg«, schrie Baniter. »Das werdet Ihr bitter bereuen.« »Mäßigt Euren Tonfall«, meldete sich Sentschake zu Wort. »Die Sängerin handelt auf Wunsch unserer Königin. Ich selbst habe ihr die Anweisung übermittelt.«
Inthara rutschte auf den Knien zu Lyndolin herüber und ergriff ihre faltigen Hände. »Sagt mir, was Ihr in den Sternen gesehen habt.« Ihre Augen funkelten vor Neugier.
Triumph oder Tod,
dachte Baniter verbittert.
Sithars Schicksal entscheidet sich in den wirren Worten einer Sterndeuterin.
Er wechselte einen verzweifelten Blick mit Mestor Ulba, der an seiner Seite saß. Doch der Siegelmeister zuckte nur hilflos mit den Achseln.
Lyndolin entrollte die Sternkarte. Ihre Finger fuhren über die blassen Linien und Schriftzeichen. »Die Sterne folgten in den letzten Tagen ungewöhnlichen Bahnen. Wirre Zeiten erwarten uns, meine Königin, und mit Schrecken musste ich erkennen, dass auch Euer Schicksal davon beeinflusst wird.« Lyndolins knochige Hand wies auf den Nachthimmel, der am Eingang zu erkennen war. »Unheilvolle Mächte umwölben Euer Sternbild. Die gebogene Sichel verdeckt es, und der rote Stern kreuzt seine Bahnen. Euch droht große Gefahr, Inthara, denn dunkle Tage werden kommen.«
Inthara starrte die alte Frau erschrocken an. »Was wollt Ihr damit sagen?«, fragte sie mit schneidender Stimme. »Was prophezeien mir die Sterne für den heutigen Tag? Los, sprecht schon!«
Lyndolin deutete erneut auf den Himmelsstreifen am Eingang. »Auch über diesen Stunden liegen düstere Schatten - die Schatten des Todes. Die Sterne verraten wenig über die Gestalt der Euch drohenden Gefahr, doch sie mahnen zur Vorsicht.« Sie ließ die Hand sinken, erschüttert von den eigenen Worten. »Die Schatten des Todes … ich wünschte, ich könnte ein anderes Schicksal aus den Sternen lesen.«
Stille herrschte im Tempel. Nichts war zu hören außer dem Knistern der Flammen, die noch immer aus der Schale emporschlugen. In den Gesichtern der Arphater war Entsetzen zu erkennen.
Es war Ejo, der das Schweigen brach. »Hört nicht auf die Lügen der Südländerin!« Er ließ erbost die Kette fallen, mit der Sadouter gefesselt war. »Sie will Euch Angst einjagen, Euch einschüchtern.« »Seid endlich still, Schechim«, befahl Inthara. Sie erhob sich; dabei griff sie nach dem Weinbecher, der vor ihr auf dem Boden stand. Sie schritt an den Priestern vorbei zur Nordseite der Halle. Sämtliche Blicke folgten ihr. Ihre Robe schimmerte im Licht der Flammen; in ihrem Rücken tanzte der unheimliche Schatten der Statue an den Wänden. Mit einer raschen Bewegung fuhr sie herum. »Niemandem wird es gelingen, mich einzuschüchtern! Ich bin die Königin Arphats, die Tochter des Sonnengottes. Mich kann keine Drohung schrecken und keine Prophezeiung.« Sie streckte den
Weitere Kostenlose Bücher