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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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Becher empor und blickte in Baniters Richtung. »Niemand wird es wagen, mir etwas anzuhaben!«
    Ein plötzlicher Wind brandete außerhalb des Tempels auf. Die Tücher gerieten ins Flattern, und die eingenähten Eisenringe klirrten gegeneinander. Wild schlugen die Flammen aus der Feuerschale empor und wurden vom Wind aufgepeitscht. Der Schatten des Norfes bäumte sich auf; die Arme des Schlangengottes schienen nach Inthara zu greifen und verdunkelten ihre Hand.
    Ein Schrei gellte aus den Reihen der Priester. Sentschake sprang auf, das Gesicht vor Schreck verzerrt. »Seht! Der Schatten des Dämonengottes! Er greift nach dem Becher!«
    »Trinkt nicht, Königin«, brüllte ein anderer Priester. »Dies ist ein Zeichen der Götter - eine Warnung!« Inthara ließ den Becher verblüfft sinken. Sie starrte auf den Schatten, der inzwischen wieder zur Ruhe gekommen war. Scharf gestochen war das Abbild der Statue auf den Tüchern zu erkennen - die schlangenhafte Zunge, das schlangenhafte Glied, die emporgereckte Hand mit dem Giftbecher.
    Baniter fröstelte.
In welches Schauspiel bin ich hineingeraten?
Er blickte auf die Stelle vor seinen Füßen, wo der Becher gestanden hatte.
Dort, genau dort hatte Inthara ihn abgestellt! Soll dies …
    Intharas Blick verdüsterte sich. Sie starrte in Baniters Richtung. »Man hat oft versucht, mich zu ermorden! Als ich sechs Jahre alt war, sandte mir meine eigene Mutter einen Attentäter, der mich mit dem Messer erdolchen sollte.« Sie schritt langsam auf den Fürsten zu. Dabei wies sie auf die weiße Narbe, die sich über ihre linke Wange zog. »Er verfehlte nur knapp meine Kehle, als er sich aus der jubelnden Menge auf mich stürzte. Ich erinnere mich noch, wie mein Gesicht und meine Lippen voller Blut waren und wie ich schrie vor Schmerz und Angst.« Der Becher in ihrer Hand zitterte. »Zweimal hat man versucht, mich zu erdrosseln; dreimal fand sich Gift in meinem Essen, und einmal entdeckte ich eine Natter unter den Decken meines Bettes.« Sie stand nun direkt vor Baniter. Langsam streckte sie ihm den Becher entgegen. »Wollt Ihr trinken, Luchs von Ganata? Wollt Ihr auf mein Wohl anstoßen?«
    Baniter gab keine Antwort. Er starrte wie benommen auf den Becher und die Hand, die ihn umklammerte. Im Hintergrund hörte er Sadouter Suant ein irres Kichern ausstoßen, doch ein Fausthieb Ejos brachte ihn zum Verstummen.
    »Eine Verschwörung«, brüllte der Schechim und drängte sich an Intharas Seite. »Der Becher stand vor dem Südländer! Der falsche Kaiser des Südbundes schickt uns seine Schlang en, um die Tochter des Sonnengottes zu ermorden!«
    Intharas Augen waren noch immer auf Baniter gerichtet. »Ihr wollt nicht trinken?«, fragte sie leise. Sie wandte den Kopf zur Seite. »An'Chaki! Komm zu mir!«
    Ein Mädchen löste sich aus den Reihen der Dienerinnen und schritt auf die Königin zu. Baniter erbleichte.
Das ist nicht wahr … das kann alles nicht wahr sein!
Es war tatsächlich An'Chaki, gewandet in ein hellblaues Tuch, die schwarzen Haare zu einer kunstvollen Frisur aufgesteckt. Mit gesenktem Blick blieb sie vor Inthara stehen. Die Königin streckte ihr langsam den Becher entgegen. »Trink«, befahl sie. Ihr Blick war auf den Fürsten gerichtet.
    Baniter sprang auf. »Nein«, schrie er. »Seid gnädig, Inthara! Wenn dieser Wein tatsächlich vergiftet ist …« »Du gibst es also zu!«, zischte Ejo und zog sein Schwert. »Senke dein Haupt, Schlange, damit ich es dir abschlagen kann!«
    Inthara hob gebieterisch die Hand. Sie streckte An'Chaki erneut den Becher entgegen. »Trink!«, wiederholte sie. An'Chaki ergriff den Becher. Ohne zu zögern setzte sie ihn an die Lippen. Baniter konnte hören, wie sie den Wein hinunterschluckte.
    Alle Augen waren auf sie gerichtet, als sie den Becher sinken ließ. Als er ihren Fingern entglitt. Als sie taumelte und nach der Königin griff, um sich an ihr festzuhalten. Als ihre Hand an Intharas Robe abglitt und sie zu Boden brach. Ein Schrei löste sich aus ihrer Kehle, ging in ein Keuchen über. Ihr Gesicht färbte sich dunkelrot, ihre Arme krampften sich um den Leib. Ein Schütteln ging durch ihren Körper; sie krümmte sich auf dem Boden, und aus dem weit aufgerissenen Mund ragte ihre bebende Zunge hervor, von der noch der dickflüssige Wein troff. Ihre Augen glitzerten in panischer Angst; und dann sprühte wie ein feiner, roter Regen Blut aus ihren Nasenlöchern und besudelte ihr Gesicht.
    Baniter starrte auf das sterbende Mädchen. Vor seinen Augen

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