Nebelriss
zuschritten.
Keiner der Fürsten erhob Einspruch, als die Ritter den Kaiser zu Boden warfen, weder Arkon Fhonsa noch Perjan Lomis noch Jundala Geneder. Wie benommen starrten sie auf den Körper des toten Kindes, und lähmende Stille breitete sich im Thronsaal aus.
KAPITEL 18 - Hinrichtung
Du wirst zum Tode verurteilt«, schrie der Priester, »zum Tode wegen des feigen Mordanschlags auf die Tochter des Sonnengottes. Als unser Gast bist du nach Arphat gekommen; du hast in unseren Häusern gewohnt und an unserer Tafel gespeist.« Mit finsterer Miene starrte Sentschake, oberster Geweihter des Agihor, auf den Gefangenen. Zorn schwelte in seiner Stimme. »Du hast unsere Gastfreundschaft schändlich missbraucht! Mit dem Gift des Kubethibusches wolltest du Arphat seiner göttlichen Herrscherin berauben und Zwietracht zwischen den Völkern von Arphat und Sithar säen. Welch Niedertracht!«
Der Gefangene schien ihm nicht zuzuhören. Mit gesenktem Blick stand er vor dem Priester. Er war nur mit einem dünnen Seidentuch bekleidet, Arme und Beine waren mit Stricken gefesselt.
Sentschake wies auf den Abhang. Unterhalb der Felsenkette, kaum zwei Schritt unter ihren Füßen, erstreckte sich das Tal von As'Farkal. Der Wind hatte feine Muster in den mattgrauen Sand gezeichnet, schmale Linien und Wellen. Die Arphater nannten ihn den Blassen Sand oder Alunais Staub. »Dein Tod soll ebenso grausam sein wie deine Taten. Möge dein Geist niemals Frieden finden und deine Schmerzen bis in alle Ewigkeit andauern.« Nur wenige Priester wohnten der Hinrichtung bei. Neben Sentschake und Sai'Kanee, der Geweihten des Kubeth, waren einige Priesterinnen der Alunai anwesend. Unter ihnen befand sich auch die Königin. Zwar war Inthara nicht vermummt, doch sie trug das Schwingengewand, mit dem sie sich einst am Har'buthi-Fest vor Baniters Blicken verborgen hatte. In sicherer Entfernung stand sie hinter Sentschake, die Augen auf den Mann gerichtet, der versucht hatte, sie zu vergiften.
»Spüre den Zorn der Götter, die du geschmäht hast«, schrie Sentschake erbost. »Kubeth und Alunai sollen dich verfluchen und deiner rastlosen Seele den Eintritt ins Jenseits verwehren!« Er wandte sich zu Baniter Geneder um. Der Gesandte, der hinter ihm an der Seite Lyndolin Sintigurens stand, wurde von mehreren Anub-EjanMönchen bewacht. »Luchs von Ganata, wollt Ihr ein letztes Wort an die Giftschlange richten, die Ihr nach Praa gebracht habt?«
Baniter nickte. Langsam schritt er auf den Attentäter zu, und dieser blickte auf.
»Fürst Baniter«, sagte er leise. Seine Augen wirkten müde. »Welch eine Ehre, dass Ihr Euch Zeit für meine Hinrichtung nehmt.«
»Ich hätte sie lieber für andere Dinge verwendet, Siegelmeister«, antwortete Baniter. »Es war der ausdrückliche Wunsch der Königin, dass ich dieser Veranstaltung beiwohne.«
Mestor Ulba lachte auf. »Es ist selten, dass Gefangene im Tal von As'Farkal hingerichtet werden. Nur die übelsten Verbrecher werden dem Blassen Sand übergeben, habt Ihr das gewusst?« Er strich sich mit den zusammengebundenen Händen über den grauen Bart. »Dieses Tal ist ein traditionsreicher Ort. Hier starben der Ketzer Nuber und der falsche König Fal'Karil, hier hauchten die glücklosen Feldherren König Apethas und die candacarische Zauberin Senque ihr Leben aus. Niemals hätte ich mir erträumt, eines Tages selbst den Blassen Sand zu schmecken.«
»Ihr habt ihn Euch redlich verdient«, stieß Baniter Geneder hervor. »Beinahe wäre allerdings ich an Eurer Stelle in den Genuss dieser Tradition gekommen.«
»Wie habt Ihr es herausgefunden, Fürst Baniter?«, fragte Mestor Ulba. »Ich habe mir in den letzten zwei Tagen das Hirn darüber zermartert. Woher wusstet Ihr, dass ich das Gift in den Becher gab?«
»Es war nicht schwer, Euch zu entlarven«, erwiderte Baniter. »Der Kubethibusch ist ein seltenes Gewächs, und kaum einer weiß um die Gefährlichkeit seiner Blüten. Warum also wählte der Attentäter dieses bizarre Gift? Es konnte nur einen Grund geben: um mich als Mörder zu belasten.« Er blickte den Siegelmeister fest in die Augen. »Als ich aus dem Aru'Amaneth zurückkehrte, erzählte ich niemandem von meiner Begegnung mit der Königin. Doch ich schrieb sie in einem Brief an meine Gemahlin nieder, verschlüsselt in der Luchsschrift. Nur diesem Brief konnte der Mörder entnommen haben, dass Inthara mir den Kubethibusch gezeigt hatte. Die Luchsschrift aber ist allein der Familie Geneder bekannt! Um sie zu
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