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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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»Nein, Baronin, ich fürchte, ich … verzeiht mir …«
    »Ihr stellt Euch absichtlich dumm, nicht wahr?«, sagte Tundia Suant verärgert. »Jedes Kind weiß, dass ich einst die Verlobte des Kaisers war! Die Geschichte erzählt man sich in jedem Winkel des Kaiserreiches.« Ceyla starrte die Baronin ungläubig an. »Ihr wart Akendors Verlobte?«
    Tundia nicke. Sie beobachtete Suena, die sich gelangweilt auf dem Boden der Empore niedergelassen hatte und leise flüsternd mit den Samtvorhängen spielte. »Zehn Jahre ist es her. Ihr wart damals noch ein Kind, kaum älter als Suena! Doch ich bin überzeugt, dass Eure Eltern Euch von mir erzählt haben, bevor sie Euch nach Thax schickten! Es ist eine Geschichte, die man jedem jungen Mädchen erzählt, das an den Kaiserhof geschickt wird!« Ceyla schüttelte den Kopf. »Euer Name wurde nie erwähnt. Meine Mutter erzählte mir nur von der Kaiserin Syllana, die Tathril so früh zu sich genommen hat.«
    Tundia Suant warf den Kopf in den Nacken und lachte verbittert auf. »Kaiserin Syllana - zumindest ihren Namen kennt Ihr also!« Sie stand auf und näherte sich Ceyla. Dann ergriff sie die Hände der jungen Frau. »Akendor war siebzehn, als er sie heiratete, und sie war im gleichen Alter. Wie alt seid Ihr, Ceyla?«
    »Sechzehn«, erwiderte Ceyla. Gebannt starrte sie die ältere Frau an.
    »Dann seid Ihr noch jünger, als es die Kaiserin damals war«, sagte Tundia. »Syllana Nejori … sie war die Tochter eines Goldschmieds aus Varona. Ihr wisst sicherlich, dass damals noch Vara die Hauptstadt des Kaiserreiches war. Syllanas Vater war am Hof als kaiserlicher Goldschmied angestellt. Dort traf Akendor das einfältige Ding, jung und hübsch und mit ebenso braunen Locken, wie Ihr sie tragt.« Tundias Stimme war zu einem Flüstern geworden. »Damals war Akendor bereits seit zwei Jahren mit mir verlobt. Es war bei seiner Thronbesteigung vereinbart worden, dass er mich nach drei Verlobungsjahren zur Frau nehmen sollte, so wie es das Ehegesetz der Tathril-Kirche vorsieht. Die Verlobung war eine bedeutende Angelegenheit; sie sollte die Familien Thayrin und Suant aneinander binden, denn Akendor war der letzte männliche Erbe der Thayrin. All seine Brüder und Onkel waren im Krieg gegen die Arphater gefallen. Die Verbindung der Thayrin und der Suant, dieser großen Fürstenfamilien, hätte das Kaiserreich gestärkt und die Wunden des Krieges geheilt.« Tundias Hände zitterten. Sie warf einen Seitenblick auf Suena, die noch immer in ihr Spiel mit den Samtvorhängen vertieft war. »Doch was tat Akendor, der große Kaiser von Sithar? Er verliebte sich in die Tochter eines Goldschmieds! Nicht nur das, er nahm sie sogar zu seiner Gemahlin, ohne die Erlaubnis des Silbernen Kreises. Mich wies er zurück; denn ich war neun Jahre älter als er«, ihre Hand fuhr empor und strich über Ceylas Haar, »und ich hatte nicht diese wunderschönen Locken. Ich war ihm zu dürr und zu alt und zu hässlich. Ihm war es gleich, dass er mich bloßstellte - mich, die ihm nichts getan hatte, die ihm zwei Jahre lang als Verlobte zur Seite gestanden und ihn vor den Intrigen der Fürsten beschützt hatte, obwohl er in meinen Augen nichts als ein dummer, unerfahrener Bengel war, von seiner Mutter verwöhnt und seinem Vater mit grausamer Härte erzogen. Er bedeutete mir nichts! Doch ich stand ihm zur Seite, und er stieß mich fort, um Syllana Nejori heiraten zu können. Anschließend zwang er mich zur Heirat mit Bliskor Thim, um jeden Widerspruch der Fürsten im Keim zu ersticken. Ein halbwüchsiger Junge, fast zehn Jahre jünger als ich, verfügte über mich wie ein Bauer über sein Zuchtvieh!« Sie blickte Ceyla finster an. »Diese Demütigung habe ich niemals vergessen! Niemals!«
    Ceyla brachte kein Wort hervor. Stumm lauschte sie Tundias schrecklichen Worten.
    »Er hat dafür bezahlt«, sagte Tundia verbittert. »Sie zwangen Akendor, den Palast in Vara aufzugeben und in die neue Hauptstadt Thax zu ziehen. Ihm machte es wenig aus, kannte er doch Thakstel seit Kindestagen; schließlich war er in diesen Mauern aufgewachsen. Doch der niedlichen Kaiserin bekam die neue Umgebung gar nicht gut. Sie hatte Akendor kurz nach der Hochzeit einen Sohn geschenkt; Prinz Uliman, den Erben des Throns. Seit seiner Geburt war Syllana schwach und abgemagert, und in Thakstel welkte sie immer mehr dahin.«
    »Sie starb zwei Jahre nach Ulimans Geburt«, erinnerte sich Ceyla. »Das ganze Reich trauerte um sie.« »Das ganze Reich

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