Nebelsturm
schüttelte ununterbrochen den Kopf.
Wenige Minuten später war Lisa wieder zurück im Haus.
»Michael hatte Albträume … Er sagt, jemand habe neben seinem Bett gestanden und ihn angesehen.«
Joakim hielt den Atem an. Er nickte und fragte leise:
»Kommt er wieder rein?«
»Ich glaube, er will im Auto sitzen bleiben. Wir werden wohl zum Hotel Borgholm fahren und dort übernachten. Das hat doch im Winter geöffnet, oder?«
»Doch, ich glaube schon. Schläft er öfter … so schlecht?«
»Nein, zumindest nicht, wenn wir in Stockholm sind … aber er ist im Moment sowieso unruhig. In seiner Firma läuft es nicht so gut. Er erzählt mir zwar nicht viel darüber, aber …«
»Hier gibt es nichts Gefährliches auf unserem Hof«, beruhigte sie Joakim, musste aber unwillkürlich an Livias Träume denken. »Natürlich war es in den letzten Wochen auch traurig und düster hier. Aber wir würden hier nicht wohnen, wenn wir uns nicht geborgen fühlen würden.«
»Ich spüre hier sehr starke Energiefelder«, sagte Lisa und sah sich um. Etwas vorsichtig fügte sie hinzu: »Hattest du in letzter Zeit das Gefühl, dass Katrine sich auf dem Hof aufhält? Dass sie über euch wacht?«
Joakim zögerte einen Augenblick, ehe er zu nicken wagte.
»Doch«, gab er zu. »Ab und zu fühlt es sich so an.«
Er verstummte. Zu gerne hätte er über die Dinge gesprochen, die er in letzter Zeit erlebt hatte, aber Lisa schien ihm nicht die richtige Person dafür zu sein.
»Ich gehe schnell unsere Sachen packen«, sagte sie.
Eine Viertelstunde später stand Joakim erneut am Fenster und sah Hesslins Wagen hinterher, bis die Scheinwerfer nicht mehr zu sehen waren.
Joakim ließ die Lampe in der Diele brennen und ging zu Bett, nachdem er ein letztes Mal nach den Kindern gesehen hatte. Er kroch unter die Bettdecke und starrte in die Dunkelheit.
Am Montagmorgen brachte er wie immer die Kinder nach Marnäs und kehrte dann zurück auf den Hof, um im letzten unrenovierten Zimmer im Erdgeschoss zu schleifen, zu malern und zu tapezieren. Während er arbeitete, hielt er immer wieder kurz inne, um nach Geräuschen zu lauschen. Aber alles blieb still.
Fünf Stunden benötigte er, um drei Wände fertigzustellen, nur unterbrochen von einem kurzen Mittagessen. Gegen zwei Uhr machte er Schluss und kochte sich einen Kaffee.
Er nahm seinen Becher, ging hinaus auf die Veranda, atmete die kühle Luft ein und beobachtete die Sonne, die gerade hinter dem Waschhaus unterging.
Der Innenhof lag bereits im Dunkeln, aber Joakim konnte dennoch sehen, dass das Scheunentor offen stand. Hatte er es nicht am Freitag, kurz bevor die Hesslins zu Besuch gekommen waren, zugemacht?
Er zog seine Jacke über und ging hinaus. Die Scheune war nur zwanzig Schritte entfernt. Er schob das Scheunentor ganz auf und tastete im Dunkeln nach dem Lichtschalter. Zwei kleine Glühlampen warfen ihr blassgelbes Licht auf den Steinfußboden, die leeren Boxen und Futtertröge.
Trotz der Kälte schienen noch keine Ratten Zuflucht in der Scheune gesucht zu haben, kein Laut war zu hören.
Bei jedem Besuch entdeckte er neue Dinge, dieses Mal registrierte er, dass der Boden hinter dem Tor gewischt worden war. Katrine hatte ihm während eines Gesprächs über das Anwesen im Herbst erzählt, dass sie in der Scheune sauber gemacht hatte.
Joakim sah hinüber zur Treppe, die zum Dachboden führte, und erinnerte sich an seinen letzten Besuch dort mit Mirja Rambe. Er würde gerne noch einmal die Wand betrachten, die sie ihm gezeigt hatte; die Gedenkstätte für die Toten.
Nur einen kurzen Blick wollte er darauf werfen.
Als er auf dem Dachboden stand, tanzten dort wie beim letzten Mal die Sonnenstrahlen. Die Sonne hing tief über dem Waschhaus und schien durch die kleinen Dachfenster an der Südseite der Scheune.
Vorsichtig bahnte er sich einen Weg durch das Gerümpel.
Dann stand er vor der Holzwand mit den eingeritzten Namen, deren Konturen von der gelben Wintersonne verstärkt wurden.
Auf einem der Bretter, fast unten am Fußboden, standen Katrines Name und die Jahreszahl.
Seine Katrine. Joakim konnte seinen Blick nicht von dem Namen abwenden.
Die Ritzen zwischen den Wandbrettern waren klein, und dahinter war es pechschwarz, als er aber direkt davorstand, spürte er, dass es eine besondere Dunkelheit war. Plötzlich wurde ihm klar, dass er nicht vor der Außenwand der Scheune stand.
Obwohl es längst Zeit war, die Kinder abzuholen, ging er um die Scheune herum und zählte
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