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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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sein.«
    »Doch.«
    »Nein, Livia.«
    Er hatte die Worte fast geschrien.
    »Doch. Ethel will reden.«
    Joakim saß wie versteinert auf dem Bett, er konnte sich nicht bewegen.
    »Ich … ich will aber nicht reden. Nicht mit ihr.«
    »Sie will …«
    »Nein«, fuhr Joakim dazwischen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, der Mund war trocken. »Ethel darf nicht hier sein.«
    Livia war wieder verstummt.
    »Ethel gehört woandershin«, sagte Joakim entschieden. »Sie soll nicht hier sein.«
    Er bekam keine Luft mehr, wollte nur noch aus dem Zimmer fliehen. Aber er blieb auf der Bettkante sitzen, steif und gelähmtvor Angst. Sein Blick wanderte nervös zu der angelehnten Zimmertür.
    Im Haus war es vollkommen still.
    Livia lag regungslos unter ihrer Bettdecke, mit dem Gesicht zur Wand. Er hörte ihre gleichmäßigen, ruhigen Atemzüge.
    Nach geraumer Zeit fasste er all seinen Mut zusammen, stand auf und ging hinaus in den dunklen Flur.
    Die Nacht war hell erleuchtet. Der Vollmond hatte sich einen guten Platz zwischen den Wolken gesichert und schien durch die frisch gestrichenen Fenster. Aber Joakim wollte nicht hinausschauen, vor Angst, in das ausgemergelte Gesicht einer Frau zu sehen, die ihn aus hasserfüllten Augen anstarrt.
    Den Blick auf den Boden geheftet, lief er in die Diele und bemerkte sofort, dass er vergessen hatte, die Tür zur Veranda abzuschließen. Warum konnte er sich das nur nicht angewöhnen, bevor er zu Bett ging?
    Ab heute würde er es nicht mehr vergessen.
    Schnell drehte er den Schlüssel im Schloss um und warf einen flüchtigen Blick in den Innenhof.
    Danach schlich er ins Schlafzimmer und kroch zurück ins Bett. Er zog Katrines Nachthemd unter seinen Kopfkissen hervor und hielt es unter der Decke fest umklammert.
    Nach dieser Nacht beschloss Joakim, Livia nie wieder in ihren Träumen zu befragen. Er würde sie nicht mehr dazu ermuntern, denn er hatte auch zunehmend Angst vor den Antworten.
    Freitagmorgen, nachdem er die Kinder nach Marnäs gefahren hatte, musste er noch etwas erledigen, bevor er sich wieder an die Renovierungsarbeiten machte. Es kam ihm einerseits lächerlich vor, war gleichzeitig aber ungeheuer wichtig für ihn. Er ging durch die Zimmer von Åludden und sprach zu seiner verstorbenen Schwester. Am Ende stellte er sich in der Küche an den Esstisch.
    »Ethel«, sagte er, »du darfst hier nicht bleiben.«
    Unter anderen Umständen hätte er sein Verhalten furchtbaralbern gefunden, aber Joakim empfand nur Kummer und Verzweiflung. Dann trat er hinaus auf den Innenhof, blinzelte in den kalten Wind, der ihm vom Meer entgegenblies, und flüsterte.
    »Ethel, verzeih mir. Aber du bist hier nicht willkommen.«
    Seine letzte Maßnahme war, das große Scheunentor aufzuschieben und sich in die Türöffnung zu stellen.
    »Ethel, verschwinde von hier.«
    Er erwartete keine Antwort und bekam sie auch nicht. Aber er fühlte sich besser, ein wenig zumindest – als könnte er sie damit auf Distanz halten.
    Am darauffolgenden Tag kamen ihre ehemaligen Nachbarn aus Stockholm zu Besuch, Lisa und Michael Hesslin. Sie hatten ein paar Tage zuvor angerufen und gefragt, ob sie auf dem Heimweg aus Dänemark bei ihnen vorbeikommen dürften. Joakim hatte sich sehr darüber gefreut, Katrine und er hatten die beiden gerne gemocht.
    »Joakim«, begrüßte Lisa ihn herzlich. Sie umarmte ihn lange. »Wir wollten so gerne wissen, wie es … Bist du erschöpft?«
    »Ein bisschen«, gestand er und erwiderte die Umarmung.
    »Du siehst müde aus. Du solltest mehr schlafen.«
    Joakim nickte ergeben.
    Michael begrüßte ihn mit einem Schlag auf die Schulter und ging dann neugierig durch die Zimmer.
    »Du hast ja weitergemacht, wie ich sehe«, sagte er anerkennend. »Phantastische Fußbodenleisten.«
    »Die sind original«, erklärte Joakim und folgte ihm durch den Flur. »Ich habe sie nur geschliffen und lackiert.«
    »Und ihr habt auch die richtigen Tapetenleisten ausgewählt, die passen hervorragend hierher.«
    »Vielen Dank, so war es ja auch gedacht.«
    »Bleiben alle Zimmer weiß?«
    »Die Räume im Untergeschoss ja.«
    »Das ist schön«, sagte Michael. »Kühl und doch harmonisch.«
    Zum ersten Mal empfand Joakim so etwas wie Stolz darauf, was sie bisher geleistet hatten. Katrine hatte damit begonnen, und er hatte es trotz aller Hindernisse weitergeführt.
    Lisa kam in die Küche und nickte begeistert.
    »Wunderbar … aber hattet ihr auch einen Feng-Shui-Experten da?«
    »Feng-Shui?«, wiederholte Joakim.

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