Nebelsturm
versammeln. Der Ofen heißt eigentlich Bengtsson. Den neuen Namen hat er sich durch seine Vorliebe verdient, am liebsten neben dem Bullerofen zu sitzen, wenn draußen der kalte Wind pfeift. Und der Wind pfeift fast immer kalt im Winter auf Åludden.
»Es gibt leider nicht viel Hoffnung«, fährt er fort. »Aber wir müssen trotzdem nach ihr suchen.«
Der Ofen selbst bleibt auf dem Hof, um den Überblick zu behalten – alle anderen gehen hinaus in den Schnee. Eskil Nilsson und Ludvig Rucker, beide neunzehn Jahre alt und damit die Jüngstenauf dem Posten, werden nach Westen geschickt, um die Gegend um das Opfermoor abzusuchen.
An diesem sonnigen Tag sind es nur fünfzehn Grad unter Null bei schwachem Wind – bedeutend milder als in den vergangenen Kriegswintern, in denen das Thermometer manchmal bis auf minus dreißig oder vierzig Grad gesunken war.
Abgesehen von dem Nebelsturm am Abend zuvor ist es ein friedlicher Winter auf Åludden gewesen. Die Messerschmitts der Deutschen haben sich kaum noch an der Küste gezeigt, und nach dem Schrecken von Stalingrad ist die größte Furcht der Schweden ohnehin, dass die Sowjetunion die Herrschaft über die Ostseeregion übernehmen könnte.
Eskils älterer Bruder wurde auf Gotland stationiert, wo er das Jahr über im Zelt wohnt. Åludden hat Radiokontakt mit dem südlichen Teil Gotlands – wenn die sowjetische Marine angreift, erfahren sie es zuerst.
Ludvig zündet sich sofort eine Zigarette an, als sie den Acker erreichen, und stapft missmutig durch die hohen Schneewehen. Er raucht wie ein Schlot, bietet aber nie eine an. Eskil fragt sich, wo er die vielen Zigaretten herhat.
Das meiste ist seit Langem rationiert. Fisch gibt es im Meer, und Milch bekommen sie von den zwei Kühen auf dem Hof, aber es mangelt an Brennstoff, Eiern, Kartoffeln, Stoff und richtigem Kaffee. Das Schlimmste ist aber die Rationierung von Tabak, die mittlerweile bis auf drei Zigaretten am Tag gesenkt wurde.
Ludvig scheint aber ohne Probleme an mehr zu gelangen, entweder bekommt er Tabak geschickt, oder er besorgt ihn sich in einem der Nachbardörfer von Åludden. Wie kann er sich das leisten? Der Lohn der Wehrpflichtigen beträgt nur eine einzige Krone am Tag.
Nachdem sie ein paar hundert Meter gegangen sind, bleibt Eskil stehen und versucht sich zu orientieren. Dazu muss er zunächst die Landstraße orten, aber er kann sie nicht sehen – der Nebelsturm hat sie weggezaubert. Man hatte Fichtenzweige an den Wegesrand gesteckt, um die Route für die Transportschlittenzu markieren, aber auch die Zweige sind in der Nacht weggeweht worden.
»Ich frage mich, wo sie herkam«, sagt Eskil und steigt über eine Schneewehe.
»Sie kam aus Malmtorp bei Rörby«, antwortet Ludvig.
»Bist du dir sicher?«
»Ich weiß auch, wie sie heißt«, sagt Ludvig. »Greta Friberg.«
»Greta? Wieso weißt du das?«
Ludvig lächelt nur und zündet sich eine neue Zigarette an.
In diesem Augenblick sieht Eskil den westlichen Wachturm. Ein gespanntes Tau führt von der Landstraße dorthin. Der Turm ist aus Holz gebaut, mit Kiefernreisig isoliert und mit graugrünem Stoff getarnt. Der Sturm hat den Schnee gegen die Ostseite zu einer senkrechten Wand aufgetürmt.
Als zweiter Wachturm von Åludden dient der südliche Leuchtturm. Er wurde erst kurz vor Kriegsausbruch elektrifiziert, ist beheizt, und es ist ziemlich angenehm, von dort nach feindlichen Flugzeugen zu spähen. Eskil weiß auch, dass Ludvig es vorzieht, den Posten hier draußen im Moor alleine zu besetzen.
Eskil ahnt natürlich, dass er nicht immer allein in dem Wachturm ist. Die Jungs aus Rörby hassen Ludvig, und Eskil glaubt zu wissen, warum. Die Mädchen aus Rörby sind nämlich ein bisschen zu begeistert von ihm.
Ludvig geht zum Eingang des Turms und fegt mit seinen Fäustlingen den Schnee von den Stufen. Er verschwindet im Turm, kommt jedoch schon nach kurzer Zeit wieder zurück.
»Hier«, sagt er und reicht Eskil eine Flasche. Es ist Schnaps. Der Alkoholgehalt ist so hoch, dass der Schnaps nicht gefriert. Eskil schraubt den Verschluss ab und trinkt einen Schluck. Der wärmt. Dann schaut er die Flasche an, die weniger als halb voll ist.
»Warst du gestern im Turm und hast was getrunken?«, fragt er.
»Gestern Abend«, räumt Ludvig ein.
»Und dann bist du im Sturm nach Hause gegangen?«
Ludvig nickt.
»Ich bin gekrochen, würde man wohl eher sagen. Man konnte die Hand vor Augen nicht sehen … zum Glück gibt es das Tau.«
Er bringt
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