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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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draußen in der Bucht, würden Sie es von hier aus sehen können?«
    »Das ist möglich. Ich bin oft hier.«
    Das war leider eine viel zu unpräzise Zeugenaussage. Da hatte Edla Gustafsson schon einen besseren Überblick über die Landstraße als dieser Ornithologe über die Ostsee.
    Sie dankte ihm für die Hilfe und machte sich auf den Rückweg zu ihrem Auto.
    »Wir könnten doch in Kontakt bleiben?«, rief er ihr hinterher.
    Tilda drehte sich um.
    »Wie bitte?«
    »Das ist ein bisschen einsam hier.« Er lächelte sie an. »Schön, aber einsam. Vielleicht haben Sie Lust, mir einmal Gesellschaft zu leisten?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Leider nein«, sagte sie. »Da müssen Sie sich schon einen Singschwan suchen.«
    Nach dem Mittagessen fuhr Tilda in die Schule, wo sie drei Stunden lang mit den Schülern über Recht und Gesetz diskutierte. Zurück auf dem Revier, stand ihr die Erstellung mehrerer Verkehrsberichte bevor. Aber sie konnte den Unfall von Åludden einfach nicht vergessen.
    Schließlich nahm sie ihren Mut zusammen, konzentrierte sich und wählte die Nummer des Hofes.
    Joakim Westin nahm bereits nach dem dritten Klingelzeichen den Hörer ab. Tilda hörte das Geräusch von aufprallenden Bällen und fröhliches Kindergeschrei im Hintergrund – ein gutes Zeichen. Leider klang Joakim Westin selbst müde und abwesend. Nicht wütend, nur kraftlos.
    Tilda sparte sich den Small Talk und kam gleich zur Sache.
    »Ich möchte Sie eine Sache fragen. Kannte Ihre Frau jemanden auf Öland, der ein Boot hat? Einen Bootsbesitzer, der in der Nähe des Hofes wohnt?«
    »Ich kenne überhaupt keinen einzigen Bootsbesitzer. Und Katrine … sie hat auch nie von einem Boot erzählt.«
    »Was hat sie in der Zeit gemacht, während Sie noch in Stockholm gewohnt und gearbeitet haben? Hat sie Ihnen davon erzählt?«
    »Sie hat renoviert, Möbel gekauft und sich um die Kinder gekümmert. Ich glaube, sie hatte genug Beschäftigung.«
    »Hatte sie Besuch?«
    »Nur mich. Soweit ich weiß zumindest.«
    »Vielen Dank erst mal«, wollte Tilda das Gespräch beenden. »Ich werde von mir hören lassen …«
    »Ich hätte da auch eine Frage«, unterbrach Westin sie.
    »Ja?«
    »Als Sie das letzte Mal hier waren, erwähnten Sie einen Verwandten, der sich mit der Geschichte von Åludden auskennt.«
    »Gerlof, ja«, bestätigte Tilda. »Er ist der Bruder meines Großvaters. Er hat ein paar Artikel für das Jahrbuch des heimatkundlichen Vereins von Öland geschrieben.«
    »Ich würde mich gerne einmal mit ihm unterhalten.«
    »Über den Hof?«
    »Über die Geschichte des Hofes … genauer gesagt, über eine ganz bestimmte Legende, die sich um Åludden rankt.«
    »Eine Legende?«
    »Eine Legende von den Toten«, erklärte Westin.
    »Aha. Ich weiß natürlich nicht, wie gut er sich in Volkssagen auskennt, aber ich kann ihn fragen. Gerlof erzählt gerne Geschichten.«
    »Sagen Sie ihm bitte, dass er herzlich willkommen ist.«
    Als Tilda den Hörer auflegte, war es halb fünf. Sie schaltete den Computer an, um die neuesten Polizeiberichte zu lesen und ihre eigenen Berichte zu verfassen, vor allem den über den schwarzen Lieferwagen. Das war immerhin ein einigermaßen konkreter Hinweis für die Ermittlungen in der Einbruchsserie. Die Äußerungen des Ornithologen zu möglichen Motorengeräuschen in der Nähe von Åludden waren viel zu vage für eine Meldung.
    Sie schrieb und schrieb. Als der letzte Report verfasst war, zeigte die Uhr bereits Viertel vor acht.
    Viel Arbeit – das war für sie im Moment die beste Methode, um nicht an Martin Ahlquist denken zu müssen. Um ihn aus Körper und Seele zu vertreiben.
    Den Brief an seine Frau hatte Tilda immer noch nicht in den Briefkasten gesteckt.

WINTER 1943
    Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurde Hof Åludden vom schwedischen Militär in Besitz genommen. Das Feuer der Leuchttürme wurde gelöscht, und die Soldaten zogen auf dem Hof ein, um von dort aus die Küste zu bewachen.
    Auf dem Dachboden in der Scheune ist aus dieser Zeit ein Namen eingeritzt, aber es ist kein Männername.
    ZUR ERINNERUNG AN GRETA 1943 steht dort in dünnen Lettern geritzt.
    Mirja Rambe
    Am Tag nachdem der große Nebelsturm nachgelassen hat, geht bei der Luftabwehrstation in Åludden die Meldung ein, dass ein sechzehn Jahre altes Mädchen verschwunden sei.
    »Im Nebelsturm verlaufen«, sagt der Chef der Station, genannt der Ofen , als sich die sieben Männer in der grauen Uniform der Krone wie jeden Morgen in der Küche

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