Neben Der Spur
verschmiert und halb zerrissen. Aber lesbar: Lauter Bahnverbindungen von Hof nach Cheb und zurück sind dort gelistet. Wieso Hof? Liegt doch in Bayern. Und was ist Cheb?
Sie hechtet an ihren PC, klickt sich auf Google Maps und kriegt den Mund nicht zu vor Staunen. Cheb, ehemals Eger, liegt in Tschechien, wenige Kilometer hinter der deutschen Grenze.
Von wegen Spanien! De Beer hat gelogen. Er weiß, dass Valentin in Tschechien ist. In Tschechien, wo auch dieses Diätsuppenprojekt läuft, um das er immer so ein Geheimnis macht.
Karo lacht laut auf. Na warte, ich komm dir auf die Schliche! Sie kippt den letzten Schluck Cola runter und beschließt, sich endlich auch einmal Punkt zwei ihrer Rechercheliste zuzuwenden: dem Firmenerben, der ein Attentat auf eine größere Gruppe von Brathähnchen auf dem Gewissen hat. Und nun unter die Fittiche einer Tochterfirma im Ausland gekrochen und vor lauter schlechtem Gewissen durchgedreht ist.
Wahrhaftig auch eine lohnende Geschichte, solange Kollege Alex und sein befreundeter Kommissar Karos Kreise nicht stören. Aber wo immer die gerade graben, bestimmt nicht in der tschechischen Provinz. Cheb, darauf muss man erst mal kommen. Was hat Alex neulich in der Disco gesagt? »Das ist eine Nummer zu heiß für dich allein. Lass uns zusammenarbeiten.« Ha, dieser Blender!
Wieso wollen eigentlich alle mit Karo zusammenarbeiten? Würde Günter Wallraff zusammenarbeiten? Nein! Investigative Journalisten sind einsame Wölfe, gehen allein auf Fang. Basta!
Als Erstes gilt es, de Beer aufzustöbern. Und Karo weiß auch schon wie: Sie tippt seine Handynummer in die Tastatur des Firmentelefons. The person you are calling is not available at present. – Bestens so!
Karo spricht ihm aufs Band: »Hallo, Herr de Beer, hier Rosenkranz. Das gesund-genießen- Magazin bittet um Stellungnahme zu einer neuen Untersuchung. Anscheinend haben sie in der Zwiebelsuppe eine Chemikalie gefunden, die da nicht reingehört. Und nun suche ich den letzten Briefwechsel mit der Redaktion. Bitte sagen Sie mir, wo ich den finden kann!«
Karos Zwerchfell vibriert. Das wird ihn alarmieren, er wird sofort zurückrufen, wo immer er sich gerade befindet. Sie nimmt auf seinem Ergosessel Platz. Super bequem ist der.
Sie wippt vor und zurück, wirft ihren Taschenventilator wieder an, vertieft sich in die vorrückenden Zeiger der analogen Tischuhr neben der Ablage und seufzt. Einsame Wölfe auf Jagd müssen warten können.
Im Bestreben, seinen Koffer hinauf ins Bordgepäckfach zu hieven, stellt Hans-Bernward de Beer die Füße in hüftbreite Position, geht in die Knie und streckt sein Hinterteil unter Beachtung seines physiologischen Hohlkreuzes weit raus, wie er es in der Rückenschule gelernt hat. Umsonst. Ein Schmerz von der Lendenwirbelsäule bis hinunter in die linke Wade signalisiert überdeutlich, dass der Bewegungsablauf nicht korrekt gewesen ist.
Immerhin ist der Koffer oben. Und Hans-Bernward kann den ihn anschubsenden Bäuchen, Schultern, Ellbogen ausweichen, sich hinsetzen. Einen Platz am Gang hat er gebucht, damit er eine Armlehne für sich ganz allein beanspruchen und ab und an einen Fuß ausstrecken kann. Für diesen Vorteil nimmt er sogar die Störungen durch fortwährend Essens- und Getränkewägelchen schiebende Stewardessen in Kauf, durch zum Klo und zurückstolpernde Fluggäste, sogar das gelegentliche Aufstehenmüssen für seine Sitznachbarn.
Die Maschine düst ab und schon setzt der Tinnitus ein: Huiii-uiii-uiii. Hans-Bernward presst seine Knie gegen den Vordersitz, um wenigstens seinem Rücken etwas Bequemlichkeit zukommen zu lassen. Was indes nicht recht klappt. Von nebenan wogt ein riesiger Busen herüber, notdürftig verdeckt von einer sich ausbreitenden Boulevardzeitung. Eine Sitzreihe weiter beginnen zwei Frauen, sich detailliert über Terrorismus, ausfallende Triebwerke, Zugvögel und andere Flugrisiken zu unterhalten.
Hans-Bernard seufzt still in sich hinein. Er hasst das Fliegen. Bahnfahren allerdings auch. Er hasst überhaupt das Reisen. Dass er heute mit dem Flugzeug nach Hof, dann mit dem Zug nach Cheb unterwegs ist – für Gudrun. Alles für Gudrun! Und für Valentin natürlich. Die Tour muss rasch vonstatten gehen. Morgen Abend, spätestens übermorgen will er zurück sein, damit Gudrun nicht misstrauisch wird. Und vor Sorge ihren Auftritt vermasselt. Bloß das nicht! In der Zwischenzeit muss er Vali finden, mit ihm sprechen, ihm erklären, dass es besser ist, heimzukommen und
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