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Neben Der Spur

Neben Der Spur

Titel: Neben Der Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Theiss
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nimmst mal drei Wochen Auszeit. Dann sehen wir weiter.«

Die Schlierenwolken über Rheinhessens flachen Hügeln färben sich hellviolett, dann feurig rosarot, bis eine dicke grelle Sonne mit Macht hervortritt und einen orangeroten Schleier über die verstopfte Autobahnbrücke breitet. Gudruns Blick wandert zum Wohnhaus, zum Verwaltungsbau, zum Werk. Das gesamte Anwesen erscheint im lodernden Morgenhimmel als aschgrauer Schattenriss. Morgenrot – Feuertod.
    Gudrun fröstelt es. »Komm, Trixi«, ruft sie und geht rasch weiter. Die Retrieverdame, die die halbe Nacht mit unerklärlichen Verdauungsproblemen zu kämpfen hatte, erscheint im Gegensatz zu Gudrun wieder erholt. Sie gibt ihre Hab-Acht-Stellung vor der von Maulwurfshügeln übersäten Grasfläche auf, trottet schnüffelnd hinter Gudrun her. Die beiden Männer vom Sicherheitsdienst, die das Gelände vorläufig bewachen sollen, grüßen verlegen, wenden sich ab.
    Das Leitmotiv des ersten Satzes fällt Gudrun ein, des ersten Satzes von Griegs Klavierkonzert in a-Moll, das sie in den kommenden Wochen für ihren Auftritt mit dem städtischen Symphonieorchester einüben muss. Dammmm, da-da-damm, da-da-damm, da-da-dammmm … Wie anschwellendes Unheil, das sich erst in gleichmütiger Unbesorgtheit einlöst: Di-di-dii, di-di-dii, di-di-diii …, um später umso heftiger loszubrechen: Bo-bo-bomm, bo-bo-bomm, bo-bo-bommmm …
    Ach, Unsinn! Es gibt keine Vorausahnungen. Es ist immer eine berechtigte Furcht, die uns quält, eine nur unterschwellige, aber reelle Furcht, sodass der Eintritt eines Unheils als vorbestimmtes Schicksal erscheint. Tatsächlich ist nichts vorhersehbar, außer dem natürlich, was wir eben in unserem Innern schon wissen. Doch was weiß Gudrun? Nichts! Ob der Verrückte noch einmal zuschlägt? Dann heftiger? Will er Gudrun strafen? Oder den armen alten Hermann? Vielleicht spielt das Datum für den oder die Täter eine Rolle? Die meisten Firmenmitarbeiter hatten frei. Die Anwesenheit von Presse und Rundfunk lud ja dazu ein, genau an diesem Vormittag zuzuschlagen. – Der oder die Täter … Gudrun schüttelt über sich selbst den Kopf. Sie denkt schon in der Terminologie, in der diese Polizisten reden! Die ganze Zeit trampeln ihr deren wiederholt gestellte Fragen durch den Kopf, werfen die zögerlich gegebenen Antworten wie unfähige Reiter ab.
    Ja, Gudrun hat gelogen. Natürlich hat sie einen Verdacht. Natürlich kennt sie einen Verrückten, der einen derartigen Anschlag geplant haben könnte. Kennt ihn gar zu gut! Und die Kollegen kennen ihn auch. Gleich zwei Mitarbeiter sollen bei ihrer Vernehmung Valentin ins Spiel gebracht haben. Der habe vielleicht gegen die Beteiligung der Firma an einer Hühnerfarm protestieren wollen. Er sei nämlich nicht nur Vegetarier, sondern sogar Veganer und vermeide aus Glaubensgründen auch den Konsum von Eiern, Milch, allen erdenklichen Tierprodukten.
    »Unsinn, mein Großneffe Valentin ist in Spanien unterwegs«, hat Gudrun dem Polizisten gesagt, der es sich willig notiert hat. »Er pilgert nämlich auf dem Jakobsweg«, hat sie ergänzt und vermieden, eine entschuldigende Miene aufzusetzen. Seit es vor ein paar Jahren diesen Bestseller gab, marschieren Hinz und Kunz auf dem Jakobsweg, als sei es den Feldberg hinauf.
    Der Kripomensch hat wohlwollend dreingeschaut, sich teilnahmsvoll nach dem tödlichen Unfall von Valentins Eltern vor etwa sechs Jahren erkundigt, dann aber Gudrun forschend in die Augen gesehen: Ob sie eine solche Tat ihrem Großneffen zutrauen würde – einmal ganz abgesehen von seinem Alibi?
    Wie hintersinnig! Gudrun ist eine kluge Frau. Auf Fangfragen fällt sie nicht herein. Sie hat den Kriminalbeamten fest angesehen und ein knappes und entschiedenes Nein verlauten lassen.
    Was ihm nicht recht zu genügen schien, denn er notierte es sich nicht, sondern sah sie weiter forschend an.
    Da setzte Gudruns Redeschwall ein, ein Strom äußerst plausibler Überlegungen – so erscheint es ihr nachträglich. »Nun, unser lieber Valentin mag ein impulsiver junger Mann sein und seit seinem mäßigen Abitur – Durchschnittsnote drei Komma zwei, aber immerhin mit zwei Einsen in Sozialkunde und Religion – ist er etwas richtungslos. Ja, gewiss, er hat Kontakt zu einer Tierschutzorganisation, deren öffentliches Auftreten wir keineswegs billigen, doch warum sollte eine solche Gruppe ausgerechnet rohe Grillhähnchen in die Luft sprengen? Und wieso hier bei uns, in einem traditionell rein vegetarisch arbeitenden

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