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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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nur so lange interessant sein würde, wie er ihre Ziele verfolgte. Es waren nicht sein Weltschmerz und seine Niedergeschlagenheit, die sie berührten, sondern allein die Sorge, dass er gehen könnte und alles wieder so wäre wie zuvor. Oder ließ ihn seine Verbitterung die Welt nur noch in den düstersten Farben sehen? Er wusste es nicht mehr! Wieder dachte er daran, einfach zu gehen. »Was würde dieser Zeit eine Horde ausgelassener Fabelwesen bringen?«, fragte er müde. »Die meisten von euch könnten sie nicht einmal sehen. Ich meine, immerhin leben hier noch Heinzelmännchen, Kobolde und Zwerge und ihr merkt es nicht einmal.«
    »Sie wollen ja auch nicht, dass man sie bemerkt. Ich denke, deine Freunde von Nebenan , diese Dunklen , die wären wohl aus einem anderen Holze geschnitzt, nicht wahr?«
    »Weißt du, ich fürchte, man kann nur sehen, woran man zu glauben bereit ist. Und das ist es, woran es euch in eurer Zeit am meisten fehlt! Glaube! Wenn die Dunklen herüberkämen und einige seltsame Dinge passierten, dann würdet ihr auch dafür plausible Erklärungen finden. Wie viel Spaß macht es schon, ein riesiger Drache zu sein, wenn man nicht gesehen wird … Und was würde mit meinen Freunden geschehen? Die meisten waren seit Jahrhunderten nicht mehr in der Welt der Menschen. Sie lebten hier in einer Zeit, als man noch Hufeisen über die Türen nagelte, damit das Glück den Weg ins Haus fand, und in der jeder Schutzzeichen kannte, um sich vor dem bösen Blick von Hexen zu bewahren. Sie wurden von hier fortgebracht, als sie noch mehr waren als nur Märchenfiguren. Wenn sie jetzt zurückkämen, vielleicht würde euer Unglaube sie töten? Was meinst du? Hört etwas auf zu sein, wenn niemand mehr daran glaubt? Für uns ist Nebenan seit Jahrhunderten die Zeit stehen geblieben. Vielleicht war das unsere Rettung?«
    »Du bist ja ein richtiger Philosoph«, murmelte Mariana auf beiden Backen kauend. »Aber ich glaube, du machst dir zu viele Gedanken. Wir sollten unseren Plan einfach durchziehen, diese Knochenflöte holen und es den Heinzelmännchen und ihrem Schlägertrupp aus Trollen so richtig zeigen.«
    Cagliostro strich nachdenklich über die Bartstoppeln an seinem Kinn. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein, ich glaube, ich mache mir nicht zu viele Gedanken. Im Gegenteil. Ich habe mir viel zu wenig Gedanken darüber gemacht, was geschieht, wenn ich versuche deine und meine Welt zu verändern. Ja, ich war so dumm mich nicht einmal zu fragen, ob es überhaupt in meiner Macht liegt, etwas zu verändern.« Er zog den Zauberring vom Finger.
    »Ich finde, langsam übertreibst du. Das hört sich ja an wie eine ausgewachsene Herbstdepression.« Die Druidin nahm einen tiefen Schluck aus ihrer Teetasse und schielte dabei gedankenverloren und offenbar noch immer hungrig nach den dreiundzwanzig unterschiedlichen Marmeladentöpfen, mit denen Cagliostro das mehr als mittelmäßige Frühstück ihres billigen Hotels ein wenig aufpoliert hatte.
    Wie sehr sie doch in der Welt gefangen war, gegen die sie so vehement zu Felde ziehen wollte, dachte der Graf traurig und stand auf. Wenn er sich den Heinzelmännchen stellen würde, bräuchte er Marianas Hilfe nicht, um nach Nebenan zu kommen. Und was würde es ihn schon kosten? Vielleicht ein paar Jahre in den Bleikammern, jenem berüchtigten Gefängnis für magisch Begabte. Schlimmer als hier würde es auch nicht sein.
    »Wohin gehst du?«, fragte die Druidin und wählte einen Topf mit Stachelbeermarmelade aus.
    Cagliostro blieb wie versteinert stehen. Den Ring, den er abgestreift hatte, hielt er fest umklammert in der rechten Faust. »Du kannst mich sehen?«
    Mariana stellte den Marmeladentopf vor sich auf den Teller und schaute verwundert zu ihm hinüber. »Warum sollte ich nicht?«
    Wortlos öffnete der Graf die Faust und streckte ihr den Ring entgegen.
    »Ach, Cagli …« Sie schüttelte den Kopf, stand auf und ging zu ihm hinüber, um ihn in die Arme zu schließen. »Merkst du denn gar nichts? Ich glaube nicht nur wirklich an dich, ich liebe dich, mein melancholischer Narr. Ich liebe deine Dickköpfigkeit, mit der du alle Kleidernormen ignorierst und es schaffst, dich in deinem barocken Pomp aufzuführen, als sei es das Selbstverständlichste der Welt, Schnallenschuhe und Seidenstrümpfe zu tragen. Ich liebe den Glanz in deinen Augen, wenn du davon sprichst, wie wir die Welt verändern werden.«
    »Aber ich bin ein alter Mann, verglichen mit Roger.«
    »Ein Mann in den besten

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