Nebenan: Roman
Jungen zufrieden hechelnd mit der Schnauze an die Brust.
»Das kann nicht gut für den Charakter von meinem Kleinen sein, mit so einem Arschloch eingesperrt zu sein«, brummte Joe, während sie beide zu Gabi in die Führerkabine stiegen.
»Ich hab sie wieder gefunden!« Die Friseuse hielt dem Erlkönig eine alte Mauser-Pistole unter die Nase. »Sie war in der Handtasche nach unten gerutscht …« Gabi lächelte entschuldigend. »Mit Handtaschen ist es wirklich ein Graus!«
*
Pater Anselmus traute seinen Augen kaum, als der Domprobst mit dem Besucher ins Vorzimmer des Kardinals trat. Er hatte einen Hünen von einem Mann mitgebracht. Braun gebrannt, mit blondiertem Haar und einem Anzug aus teurem Stoff, der, obwohl maßgeschneidert, nicht wirklich zu dem massigen Körper passen wollte. Der Riese hatte freundliche, grüne Augen und blinzelte nervös. »Kann ich den Kardinal sprechen?« Er redete langsam und auf eine Art, die verriet, dass er das Hochdeutsche nur zu offiziellen Anlässen verwendete.
»Seine Eminenz ist zurzeit sehr beschäftigt. Wenn ich Ihnen vielleicht weiterhelfen könnte?«
»Nee. Ich muss … Seine Eminenz sprechen. Am besten unter vier Augen. Et jeht um Geschäfte!«
Der Pater runzelte die Stirn. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, welche Art gemeinsame Geschäfte der Kardinal und diese Gestalt tätigen sollten.
»Seine Eminenz kennt ihn«, mischte sich der Domprobst ein, der hinter dem Hünen kaum zu sehen war. »Er hat uns vor fünf Jahren schon einmal geholfen. Es geht um den Diebstahl diese Nacht.«
Noch immer im Zweifel, beugte sich Pater Anselmus über das kleine Mikro der Sprechanlage. »Eure Eminenz, hier ist Besuch. Ein Herr …« Der Priester blickte fragend zum Hünen.
»Sagen se, Fischers Nas wär da.«
»Ein Herr Fischers Nas möchte Sie wegen des Diebstahls sprechen.«
»Fischers Nas? Bringen Sie ihn herein!«
Anselmus traute seinen Ohren kaum, aber er war nicht Pressesprecher und Sekretär des Kardinals geworden, weil er dessen Anweisungen diskutierte.
»Seine Eminenz wird Sie empfangen. Folgen Sie mir bitte!« Der blonde Hüne grinste, als habe er keine Sekunde daran gezweifelt, dass er umgehend einen Termin beim Kardinal bekommen würde.
Der Pater ging zu der hohen Tür am hinteren Ende seines kleinen Durchgangsbüros und drückte die schwere Bronzeklinke hinab. Unmittelbar hinter der Tür befand sich noch eine zweite, mit feinem, braunem Leder gepolsterte Tür. Dahinter lag das Büro des Kardinals, ein heller Raum mit hohen Spitzbogenfenstern. Hinter einem riesigen, dunklen Schreibtisch stand der Kardinal am Fenster und blickte zu den Türmen des Doms. Die tief stehende Abendsonne ließ den Kirchenfürsten wie einen eindimensionalen Schattenriss erscheinen.
»Es freut mich, dass du gekommen bist. Ich hatte schon erwogen Kontakt zu dir aufzunehmen.«
»Us Kölle is’ ’n Dorf.« Der Hüne räusperte sich und fuhr in trägem Hochdeutsch fort. »Wenn hier jemand ’nen großen Bruch macht, dauert es keinen Tag, bis ich davon gehört habe.«
Der Kardinal nickte. »Ich weiß.« Er trat vom Fenster zurück hinter den großen Schreibtisch und streckte dem Besucher in studiert würdevoller Geste seine rechte Hand entgegen.
Zu Anselmus’ Überraschung verbeugte sich der Hüne und küsste ehrfürchtig den Kardinalsring. Seine Eminenz deutete auf den großen Ledersessel vor dem Schreibtisch. »Nimm doch Platz! Darf ich dir eine Zigarre anbieten?« Der Kardinal klappte das mit Muschelintarsien geschmückte Holzkistchen neben den Telefonen auf und drehte es zum Gast herüber.
Fischers Nas nahm sich gleich zwei der Zigarren, die auf ihrer roten Banderole einen von Goldstrahlen umgebenen Christuskopf zeigten. Sie waren ein Geschenk aus einem kleinen kubanischen Dorf, das auch nach mehr als vierzig Jahren real existierendem Sozialismus heimlich der katholischen Kirche die Treue hielt.
Während Fischers Nas die Zigarrenenden abbiss und in die Handfläche spuckte, um sie dann mit leicht verlegenem Lächeln in einer Tasche seines Jacketts verschwinden zu lassen, schob ihm der Kardinal ein goldenes Feuerzeug hinüber, das auf einem kleinen blauen Samtkissen lag. Eine Spezialanfertigung einer Weltfirma mit einem eingravierten brennenden Dornbusch, die im heiligen Jahr als Werbegeschenk an die höchsten kirchlichen Würdenträger verschickt worden war.
Anselmus konnte nicht fassen, dass der Kardinal einen so zwielichtigen Gast mit so ausgesuchter Höflichkeit
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