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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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antwortete nun Wallerich. »Wir ziehen es vor, Probleme auf rationale Weise zu lösen. Unseren Frauen liegt da mehr der intuitive, magische Weg.«
    »Das hört sich ja an, als spräche Nöhrgel«, brummte die Älteste. »Bist ihm wohl ein folgsamer Schüler gewesen. Dieser phantasielose Technokrat! Na, was erwarte ich schon von Heinzelmännern! Kommt jetzt mit«, fuhr sie versöhnlicher fort. »Es gibt eine Tür, durch die man vom Stall ins Langhaus gelangt.« Sie drehte sich zu Klöppel um. »Komm schon, so lange ich dabei bin, werden dir diese irischen Schindmähren nichts tun.« Zögerlich folgte der Oger.
    Der Stall war recht groß. Dort, wo Mozzabella entlangging, schien das Zwielicht aufzuklaren, sodass man in ihrer Nähe stets gut sehen konnte. In den anderen Boxen entlang der Wände bemerkte Till weitere Pferde, aber auch Perlhühner, Fasane, Pfauen, ein Becken mit ein paar Nilkrokodilen, eine Schlange mit Hahnenkopf und noch einige andere seltsame Geschöpfe, die er sich lieber nicht allzu genau ansah.
    »Ihr glaubt gar nicht, wer sich zum Winter hin alles in unsere Obhut begibt«, kommentierte die Älteste ihren Zoo. »Wir versuchen stets, allen ein Quartier zu bieten, aber manchmal … Ich kann beim besten Willen keinen verfrorenen Phönix in einem Stall mit Reetdach aufnehmen. Übrigens, dort vorne in der Nische steht der Streitwagen, der zu euren Schlachtrössern gehört.«
    Der Wagen war ganz aus Holz und Bronze gefertigt. Seine Deichsel mündete in einen Drachenkopf, dessen Maul mit Eberzähnen gespickt war. Der Karren hatte nur zwei Räder und war vorne wie hinten offen gehalten. Nur die hochgewölbten Seitenwände waren mit einem polierten hölzernen Handlauf versehen. Mit diesem Ding durch schweres Gelände zu fahren wird sicher kein Spaß, dachte Till. Er erinnerte sich, in irischen Heldensagen davon gelesen zu haben, wie die Recken in der Schlacht in voller Fahrt auf der Deichsel balancierten. Almat und Rolf wären wahrscheinlich schon froh, wenn sie nicht hinten hinauspurzelten, sobald Macha und Sainglu lospreschten. Hinten, auf der kleinen Wagenplattform, die sich Krieger und Fahrer teilten, ragte eine Stange empor, von der zwei Fellstreifen hinabhingen.
    »Keine Fellstreifen«, kommentierte Mozzabella ungefragt und erinnerte den Alesier daran, dass hier nicht nur Pferde Gedanken lesen konnten. »Das sind Fuchsschwänze! Diese Iren geben sich wirklich alle Mühe, wie Barbaren dazustehen. Den halb verfaulten Kopf, der oben auf der Stange steckte, habe ich schon abnehmen und beerdigen lassen.« Sie schüttelte sich. »Steckte voller Maden, das Ding. Wie kann man mit so etwas nur herumfahren!«
    »Hältst du es für möglich, dass der echte Cuchulain es als üble Sachbeschädigung betrachten könnte, dass du den Kopf da oben heruntergenommen hast?«, fragte Wallerich gepresst.
    »Also wenn du mich fragst, hat die üble Sachbeschädigung stattgefunden, als der Kopf von seinem angestammten Platz auf diese Stange kam.« Sie strich sich über das Kinn und nickte dann nachdenklich. »Aber du hast Recht. Cuchulain wird das vermutlich anders sehen. Es ist gewiss besser für euch, wenn ihr ihm nicht über den Weg lauft. Die Leprechauns waren ganz zuversichtlich, dass dieser Wilde und seine Freunde noch ein paar Tage brauchen werden, um ihren Rausch auszuschlafen. Trotzdem würde ich an eurer Stelle lieber nicht allzu lange hier Nebenan bleiben.«
    Die Alesier tauschten beklommene Blicke, und Till versuchte vergeblich zu vergessen, was er so alles über irische Sagenhelden gelesen hatte.
    Sie waren am Ende des Stalls angelangt. Auf ein Fingerschnippen Mozzabellas schwang eine eisenbeschlagene Tür auf, hinter der sich ein langer Saal erstreckte, der rötlich im Glutlicht einer großen Feuergrube erstrahlte. Die Luft im Raum war so voller Rauch, dass den Alesiern die Augen brannten, als sie eintraten. Zu beiden Seiten der Feuergrube hatte man Holzplanken auf Böcke gelegt, um Tische zu improvisieren.
    Im Rauch der Halle tummelten sich die obskursten Gestalten, und nur die wenigsten machten sich die Mühe, nicht mit unverhohlener Neugier zu den Neuankömmlingen hinüberzustarren.
    »Kommt, meine Kinderchen, kommt!« Mozzabella breitete gebieterisch die Arme aus. »Wie ihr seht, sind unsere Gäste endlich eingetroffen. Tragt die Tafel auf und lasst uns hoffen, dass nicht alles verkocht oder angebrannt ist. Und ihr …«, sie wandte sich zu den Alesiern, »ihr werdet selbstverständlich an meiner Seite sitzen,

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