Nebenan: Roman
so wie es das Gastrecht gebietet.« Sie zwinkerte den Heinzelmännern zu. »Für einen Abend werde ich sogar euch zwei Früchtchen in meiner Nähe ertragen.«
Die Älteste führte sie zum Kopf der Tafel. Für Mozzabella hatte man einen kleinen Holzthron direkt auf die Tischplatte gestellt, sodass sie ihre Festgesellschaft ohne Mühe überblicken konnte. Die beiden Heinzelmänner saßen auf Schemeln, kaum größer als Schnapsgläschen, an ihrer Seite. Noch an zwei weiteren Stellen hatte man kleine Tafeln und Stühle auf den Tisch gestellt und eine Gesellschaft geschwätziger, kichernder Heinzelfrauen nahm dort Platz. Die Jüngeren unter ihnen blickten auffällig oft zu Wallerich und Birgel hinüber. Die meisten der Gäste aber waren annähernd menschengroß und ließen sich auf den Holzbänken entlang der Festtafel nieder. Viele sahen sogar aus wie Menschen – jedenfalls auf den ersten Blick. Till gegenüber saß eine blasse, weiße Frau mit dunklen Rändern unter den Augen. Sie wirkte leicht durchscheinend, trank mit einem Strohhalm aus einem Messingkelch und verhielt sich, abgesehen von gelegentlichen Seufzern, ganz still. Ein wenig weiter hockte eine Runde Hexen, die wohl jeder Theaterdirektor der Welt vom Fleck weg für eine Macbeth-Inszenierung engagiert hätte. Ihr schrilles Kichern ging durch Mark und Bein. Ihre runzeligen, vom Wetter gegerbten Gesichter und ihre glühenden, roten Augen waren dazu angetan, auch hartgesottenen Burschen das Schaudern beizubringen. Hätten sie auch noch ein Auge untereinander herumgereicht, hätte Till wohl keinen Bissen vom Festmahl herunterbekommen.
Angenehmer anzuschauen war da schon die barbusige Blondine, die in einer Art Badezuber an der Tafel saß, rohen Fisch verspeiste und Till gelegentlich aufmunternd zuzwinkerte.
Zum Auftakt des Festmahls liefen einige der Heinzelfrauen auf der Tischplatte herum und ließen etliche Bratenspieße und Töpfe von der Feuergrube herüberschweben. Wie von Geisterhand geführte Löffel füllten Suppe in Holzschalen, die aus dem Nichts vor den Gästen erschienen. Blütenjungfern mit Libellenflügeln schwebten über dem Tisch, bestreuten die Ehrengäste mit Blumenblättern und wisperten ihnen gelegentlich anzügliche Witze ins Ohr. Wesentlich zurückhaltender war da ein dunkelhaariger Mann, der ebenfalls zum Dienstpersonal gehörte. Er war unrasiert und hatte einen gehetzten Blick. Irgendwie kam Till sein Gesicht vertraut vor, aber wie ein Held aus einer Sage wirkte er nicht gerade. Als Mozzabella seine verstohlenen Blicke bemerkte, nickte sie dem Alesier zu. »Den haben wir vor einer Woche im Wald auf der anderen Flussseite gefunden. Er ist ein seltsamer Kerl. Stell dir vor, er behauptet, er sei der größte lebende Illusionist. Aber von uns hat ihn noch keiner wirklich zaubern sehen. Ich vermute, dass er eher in deine Welt gehört … Aber wie mag er hierher gekommen sein?«
»Durch ein Tor?«
»Nein, davon wüsste ich. Ich werd schon noch hinter seine Geschichte kommen. Wo wir gerade dabei sind … Stimmt es, dass du eine Affäre mit Neriella hast?«
Till gaffte die Älteste entgeistert an. »Hast du in meinen Gedanken gelesen?«
»Nein, nein! So etwas macht man nicht, wenn es um intime Dinge geht. Das wäre unhöflich. Ich hatte nur gehört …«
»Können wir das Thema wechseln?«, unterbrach sie Wallerich. »Oder ist es höflich, auf den Gefühlen von Heinzelmännern herumzutrampeln?«
»Also stimmt es?« Die eben noch so schroffe Mozzabella bedachte den Heinzelmann mit einem mitleidigen Blick. Dann begann sie ausgelassen Anekdoten aus ihrer kleinen Stadt zu erzählen und erwies sich für den restlichen Abend als überaus gut gelaunte und taktvolle Gastgeberin.
Je mehr Till von dem schweren, mit Harzen und Kräutern gewürzten Wein trank, der von einem borkenhäutigen Waldschrat zum Essen gereicht wurde, desto heimischer fühlte er sich in dieser fremden Welt. Auch die übrigen Alesier hatten sich schnell eingelebt. Almat tauschte Sushirezepte mit der Undine im Badezuber, Martin ließ sich von einer glutäugigen Nymphe im Umgang mit Laute und Harfe unterweisen, Rolf diskutierte mit einer Walküre über gemeine Schwertkampftricks, und sogar Gabriela verhielt sich friedlich und plauschte mit einem bebrillten Raben darüber, wie sie die Federn auf ihrem schwarzen Umhang gegen den Herbstregen imprägniert hatte.
Als Till viele Stunden später von Klöppel zu einer Schlafnische an der Wand der Festhalle getragen wurde, war er sich
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