Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
Vom Netzwerk:
Heinzelmann zwischen seinen Händen hindurch, die er schützend vors Gesicht geschlagen hatte. Der Wüstling warf wild den Kopf hin und her und knurrte dabei wie ein toll gewordener Straßenköter. Die Titankette hatte sich zwischen seinen Reißzähnen verfangen und nun hing ihm eine Kette mit einem schweren Aktenkoffer daran aus dem Maul.
    »Vade retro, Bestia! Ad …« Nöhrgel war hinter dem Monstrum aufgetaucht, und obwohl der Älteste ihm kaum bis zum Knie reichte, schien der Kerl Angst vor ihm zu haben. Nöhrgel hatte die Papprolle mit den Karten drohend erhoben, als halte er ein Zauberschwert in den Händen. Der halb nackte Blonde wich zurück und fletschte die Zähne, was allerdings in Anbetracht des Koffers, der ihm aus dem Maul hing, nicht sonderlich bedrohlich aussah. Plötzlich wandte er sich um und lief mit großen Sprüngen davon.
    Nöhrgel warf die Papprolle zu Boden und fluchte wie ein Kesselflicker. »Los, Birgel, wir dürfen ihn nicht entkommen lassen! Folge ihm! «
    Doch Birgel, der sich in seinem ganzen Leben noch nie einem Befehl widersetzt hatte, entschied sich in diesem Augenblick dafür, lieber ohnmächtig zu werden.

4

    »Also, ich finde seine Assistentinnen bemerkenswert hübsch.«
    »Das sagst du schon zum dritten Mal«, erwiderte der Erlkönig und gähnte. Bisher war der größte Illusionist des Universums nur eine große Enttäuschung. Von wirklicher Magie konnte nicht die Rede sein!
    »Ich sage dir, hübsche Assistentinnen sind das halbe Geschäft.« Der Graf seufzte schwärmerisch. »Wenn ich an meine Lorenza denke …«
    Der Erlkönig musterte seinen Gefährten misstrauisch. Entweder war Cagliostro ein noch größerer Dummkopf, als er bislang angenommen hatte, oder aber der Graf hatte einen Weg gefunden, seine wahren Gedanken zu verbergen. Seit dem Frühstück beschäftigten nur noch Banalitäten und sentimentale Erinnerungen den Verstand des Grafen. Jedenfalls den Teil des Hirns, den der Elbenfürst einsehen und manipulieren konnte.
    »Wir sollten hier verschwinden. Diesem Stümper noch länger zuzuschauen ist Zeitverschwendung!«
    »Also, ich finde ihn amüsant. Außerdem steht in diesem Heftchen hier, dass gleich seine größte Nummer kommt. Er lässt sich selbst verschwinden! Schau mal, jetzt verlässt er die Bühne und …«
    »Ruhe da vorne, verdammt!«, zischte ein Bass hinter ihnen.
    Der Erlkönig drehte sich um. Er war sich sicher, dass es der Dicke zwei Reihen hinter ihm war, der geflucht hatte. Sie waren zwar unsichtbar, das hieß aber nicht, dass man sie nicht hören konnte. Und Unsichtbare konnte man auch beleidigen, dachte der Fürst wütend. Ihm reichte es! Dieser Abend war vergeudet. Er hätte bei den Lexika bleiben sollen!
    »Tolles Theater, diese Kölnarena. Ich wünschte, ich hätte einmal auf so einer Bühne gestanden. Sieh dir nur an, wie viele Leute gekommen sind, um sich Philip Pirrip anzusehen. Das erinnert mich an den Tag, als ich Boulogne verlassen musste. Habe ich dir je davon erzählt? Tausende sind am Strand zusammengelaufen, um mich und Lorenza zu verabschieden. Das war einer der größten Tage meines Lebens und … Also so was! Hast du das gesehen?«
    »Was?« Der Erlkönig redete sich ein, es sei das Beste, die ganze Sache als eine Studie menschlichen Verhaltens zu betrachten und die Vorstellung bis zum Ende durchzustehen. Als überlegenem Geist sollte es ihm gelingen, sich in Geduld zu üben.
    »Der Kerl hat die dunkelhaarige Assistentin ein dämliches Flittchen genannt, nur weil sie einen kleinen Fehler gemacht hat. In dieser Zeit hat man wohl keine Ahnung mehr, wie man sich als Ehrenmann verhält!«
    »Ruhe da vorne!«, polterte die Bassstimme hinter ihnen erneut.
    »Wie kommst du darauf, dass er die Dunkelhaarige angeschnauzt hat? Er lächelt doch.«
    »Du hast keine Ahnung von Bühnenauftritten, nicht wahr, mein Fürst? Ich hab diesen Pirrip genau beobachtet. Er trägt ein Ding, das seine Stimme lauter macht. Das hat er kurz abgeschaltet, als er mit der Hand über seine Brust gestrichen hat, und dann hat er die süße Dunkelhaarige beleidigt.«
    »Wie willst du das wissen? Auf die Entfernung kann man doch kein Wort hören.«
    Cagliostro lächelte durchtrieben. »Ich kann von den Lippen lesen. Das ist die zweite Gabe, die einen großen Magier auszeichnet.«
    »Ach«, erwiderte der Elbenfürst und dachte daran, wie der Graf gegen seinen Willen Baldur hinausgeschickt hatte. »Es ist gut, einen Kameraden zu haben, der einen so offenherzig in die

Weitere Kostenlose Bücher