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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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merkwürdigen Illustrationen. Nöhrgel blickte nur kurz über die Schulter, um sich zu vergewissern, wer die Kammer betreten hatte. Dann wandte er sich wieder dem Mikroskop zu. »Könntest du dich so stellen, dass du auf keines der Bücher tropfst?«
    »Danke für die Anteilnahme.« Wallerich schnallte sich die Pilotenkappe ab, warf sie auf den Lieblingssessel des Alten, wickelte den roten Schal ab und wrang ihn aus.
    »Regnet es?«, fragte Nöhrgel ohne noch einmal vom Mikroskop aufzublicken.
    »Schnapper hielt es für eine klasse Idee, auf dem Rückflug einen kleinen Imbiss zu nehmen. Leider hat er sich nicht die Zeit genommen, mich absteigen zu lassen, bevor er sich kopfüber in einen Fischteich stürzte. Ich wäre beinahe ertrunken!«
    »Freut mich, dass du einen abwechslungsreichen Nachmittag hattest.« Nöhrgel schaffte es bei der Bemerkung nicht einmal, ironisch zu klingen. »Wenn du mir jetzt freundlicherweise berichten könntest, was du entdeckt hast …«
    Ich habe entdeckt, dass man Schwimmen wieder verlernen kann , dachte der Heinzelmann gereizt, behielt es aber für sich. »In der Region um Bleialf gab es keine Hinweise auf eine Anomalie. Es wurde kein Vieh geraubt, es waren keine verwirrten Bauern aufzustöbern und es gab auch keine panisch flüchtenden Touristen. Erwähnenswert ist höchstens eine Gruppe von Ausgeflippten, die wohl so etwas wie ein Kostümfest veranstaltet hat.«
    »Kostümfest?« Der Alte richtete sich auf und hüpfte von dem Bücherstapel herunter. Sein sonst so gepflegter Bart sah zerzaust aus, das Haar hing ihm in Strähnen in die Stirn und auf seinem weißen Hemd waren Espressoflecken. So mitgenommen hatte Wallerich den Ältesten schon lange nicht mehr gesehen. »Was war da los? Haben sich diese Verkleideten in irgendeiner Form auffällig verhalten?«
    »Na ja, ein paar haben sich mit Schwertern geschlagen, andere hockten an Lagerfeuern, haben Fleischbrocken verbrannt und sich betrunken. Angezogen waren sie wie Barbaren. Ach ja, die Männer trugen Schottenröcke … War schon eine merkwürdige Truppe.« Dass er seinen Rivalen Till gesehen und Schnapper dazu überredet hatte, dem Studenten auf den Kopf zu scheißen, verschwieg er.
    »Sie haben sich als Barbaren verkleidet …« Nöhrgel hatte eine Tasse Espresso hinter einem Bücherstapel gefunden und begann nachdenklich darin zu rühren. »Könnten sie letzte Nacht ein Ritual abgehalten haben? Glaubst du, sie wären dazu fähig, ein Tor zu öffnen?«
    Wallerich war ehrlich verblüfft. »Es waren Menschen. Die haben keine Ahnung von Magie.«
    »Dann sieh dir das einmal an.« Der Älteste winkte ihn zum Mikroskop. »Du siehst hier einen Längsschnitt durch einen dentus caninus , oder verständlicher, einen Eckzahn.«
    Der jüngere Heinzelmann erklomm den Bücherstapel und warf einen flüchtigen Blick durch das Okular. »Ein Raubtierzahn?«
    »Es ist weder ein Raubtierzahn noch ein Menschenzahn. Es ist … ein Zwitter. Für einen menschlichen Eckzahn ist er ungewöhnlich lang. Es gibt solche Fälle, aber diese Zähne sind niemals nach hinten gekrümmt. Für einen Wolfszahn, und dem sieht er noch am ähnlichsten, ist er zu dick. Wenn du jetzt das zweite Präparat unter die Linse schieben könntest …«
    Als Nächstes sah Wallerich ein Präparat, das offenbar aus Muskelgewebe gewonnen war.
    »Fällt dir was auf?«
    »Äh … Ich bin kein Biologe. Ich sehe nur einen Haufen Zellen.«
    »Sieh dir die Membranen an! Siehst du, wie faltig sie sind? Ihre Oberfläche sollte glatt, wie unter Spannung sein. Diese Zellen können sich dehnen!«
    »Ja, und?«
    Nöhrgels Augenbrauen zogen sich zu einem breiten Strich zusammen. »Komm da runter. Du tropfst ja immer noch und weichst die Bücher auf! Diese Zelle hat sich zusammengezogen. So etwas ist in der Natur normalerweise nicht vorgesehen, es sei denn …« Er machte eine Kunstpause und schien darauf zu warten, dass bei Wallerich der Groschen fiel. Als dieser jedoch keine Anstalten machte zu antworten, fuhr er gereizt fort: »Diese Zellen gehören zu einem Körper, der dazu geschaffen ist, sich in kurzer Zeit sehr stark zu verändern. Man könnte fast sagen, er quillt auf, aber es ist noch mehr …« Eine weitere Pause gepaart mit erwartungsvollen Blicken folgte.
    »Und was bedeutet das?«
    »Ein Werwolf! Dieser Zahn stammt von einem Werwolf, der sich heute Abend alle Mühe gegeben hat, Birgel die Kehle herauszureißen!«
    »Du meinst …« Wallerich wartete auf eine Geste, die das Gesagte als

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