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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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ganze Zeit nur benutzt, ohne uns zu verraten, worum es eigentlich ging.«
    »Stimmt!«, gab Nöhrgel unumwunden zu. »Wenn ich dich eingeweiht hätte, hättest du nicht mitgemacht. Und was Birgel angeht, er hätte zwar zu mir gehalten, wäre aber vor Gewissensbissen fast um den Verstand gekommen, weil der Hohe Rat niemals gebilligt hätte, was wir tun.«
    »Ach! Und mit dem Prozess ist jetzt alles besser gelaufen? Warum hast du dich denen selbst ans Messer geliefert? Du hattest Laller in der Tasche! Was du gemacht hast, war völlig überflüssig!«, fluchte Wallerich.
    Der Älteste klappte den Koffer zu. »Es musste sein. Ich lass euch beiden ein Geschenk zurück. Ein Abenteuer.«
    »Ein Abenteuer?«, fragte Birgel leise. »Werde ich den Werwolf etwa wieder treffen?«
    »Wenn ich dir das verrate oder euch beiden sage, was zu tun ist, würde ich euch ein Stück eurer Zukunft stehlen. Das ist es doch, was du mir vorhältst, Wallerich. Nun kannst du frei entscheiden!« Nöhrgel nahm den Lorbeerkranz, den er in der Ratsversammlung getragen hatte, und legte ihn oben auf den Bildschirm des Wahrscheinlichkeitskalkulators. »Der Rechner ist mit einem anderen Computer vernetzt, über den ich unter [email protected] zu erreichen sein werde.«
    »Wohin wirst du gehen?« Birgel trat zur Seite, als der Älteste zur Tür kam.
    »An einen Ort, wo nur das Auto eines Träumers parken kann. Keine Sorge, ich bin noch in der Stadt und werde ein Auge auf euch haben. Dennoch ist es besser, wenn ich in meinem Exil vorerst allein bleibe. Ob ihr es glaubt oder nicht, wir haben die Kreise der Dunklen gestört. Nun ist es wichtig, dass ich nicht dort bin, wo sie mich erwarten.« Nöhrgel drückte die Klinke herab, trat durch die Tür und ging den dunklen Gang hinunter, der dahinter lag. In der Kammer, die er jetzt verließ, hatte er die letzten fünfzig Jahre verbracht. Es war wirklich an der Zeit, neue Wege zu beschreiten! Er drückte den Knopf für den verborgenen Aufzug, den er in ein stillgelegtes Abwasserrohr gebaut hatte. Hinter der Aufzugtür ächzten Seilzüge. Als Nöhrgel sich umdrehte, sah er die beiden jungen Heinzelmänner als zwei Schatten im erleuchteten Rechteck seiner Zimmertür. »Du solltest den neuen Freund von Neriella in Ruhe lassen, Wallerich. Es könnte der Tag kommen, an dem du auf seine Hilfe angewiesen bist.«
    »Ich soll auf einen Menschen angewiesen sein?« Wallerich schnaubte verächtlich. »Bevor ich mir von einem Langen helfen lasse, lass ich mir lieber den Bart scheren und gehe in Sack und Asche! Und übrigens … Wolltest du nicht aufhören dich in unsere Zukunft einzumischen, Alter?«
    Nöhrgel zuckte mit den Schultern. »So schnell kommt man halt nicht aus seiner Haut, Junger.« Die Aufzugtür öffnete sich. Der Älteste schob den Koffer hinein und drehte sich dann noch einmal um. Mit würdevoller Geste nahm er den roten Hut ab und verbeugte sich. »Es war mir eine Ehre, dass ihr meine Freunde wart. Ihr habt mein Leben reicher gemacht.«
    Birgel erwiderte den Gruß, nur Wallerich stemmte trotzig die Hände in die Hüften, genau, wie Nöhrgel es von ihm erwartet hatte.
    *
    Cagliostro massierte sich mit beiden Händen die Schläfen. Er war müde, hatte Kopfschmerzen und war nass bis auf die Knochen. Wären sie doch bloß nicht hierher gekommen! Mariana stand neben dem qualmenden Feuer und wiederholte schon zum achten Mal ihr Samhaim-Ritual, doch es öffnete sich kein Tor.
    Dabei hatte der Tag so gut angefangen. Sie hatten bei der Zentralmensa von einem windigen Osmanen ein Auto gekauft. Der Muselman war der Einzige gewesen, der statt des üblichen schmutzigen Papiergeldes ohne Fragen zu stellen einen Beutel voller Goldmünzen genommen hatte. Und dann hatte Mariana eine Idee gehabt. Sie hatte vorgeschlagen in die Eifel zu fahren, um ihr Ritual zu wiederholen.
    So kam es, dass sie seit Stunden am Rand einer schlammigen Wiese im Regen standen. Das Mädchen hatte Ausdauer, so viel musste man ihr lassen. Cagliostro zog ein Spitzentüchlein aus dem Ärmel und schnäuzte sich. Mariana zitterte vor Anstrengung und Kälte. Die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengekniffen, versuchte sie sich zu konzentrieren. Dann hob sie die Hände in großer Geste zum Himmel.
    Wenn er noch im gleichen Geschäft wie vor zweihundert Jahren gewesen wäre, hätte sie eine gute Assistentin abgegeben, dachte der Graf melancholisch und schnäuzte sich noch einmal. Er schien sich in der Tat einen Schnupfen geholt zu haben.
    Baldur

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