Nebenan: Roman
nicht mehr zu bieten hatte. Natürlich hat sich heute einiges geändert, aber du weißt ja, dass ich ein wenig konservativ bin.« Cagliostro grinste ironisch.
»Ich begreife dich nicht.« Mariana ließ sich in die Bettlaken sinken, die nach Rosenöl dufteten. »Du kannst all das hier erschaffen, und andere Dinge, die so einfach sind, gelingen dir nicht.«
Der Graf seufzte. »Diese Papiere, die jeder Bürger hier besitzt, oder auch eure Geldscheine sind nicht einfach! Diese verschlungenen Muster aus Linien, die Wasserzeichen und all die anderen geheimen Zeichen … Ich könnte leicht etwas schaffen, das so ähnlich aussieht, aber in eurer modernen Zeit begnügt ihr euch ja nicht damit. Es muss alles immer ganz genau sein. Es gibt hier nur noch sehr wenig Raum für Künstler und Menschen wie mich. Aber das wird sich ändern.«
Mariana fühlte sich schläfrig. Nach all der Aufregung tat es gut, in einem weichen Bett zu liegen. Cagliostros Stimme hatte etwas Beruhigendes. Er redete weiter und weiter. Davon, dass er die Welt verändern würde, sie ein Tor erschaffen mussten und dass die Zukunft im Kölner Dom beginnen sollte. Doch die Druidin war zu müde, um ihm noch länger zuzuhören.
*
Als Till erwachte, hatte er das Gefühl, dass gerade eine ganze Baukolonne mit Presslufthämmern die Trasse für eine Schnellstraße durch sein Großhirn fräste. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wie er in der letzten Nacht nach Hause gekommen war. Seine Zunge lag pelzig wie ein häufig benutzter Kloschwamm zwischen seinen Zähnen und verbreitete einen unangenehm säuerlichen Geschmack. Nur langsam stellte sich die Erinnerung an die letzte Nacht wieder ein, und mit der Erinnerung erwachte auch gleich der Zweifel. War er tatsächlich im Baum einer Dryade gewesen? Bevor er sich darüber letztlich klar werden konnte, flog die Tür zu seinem Zimmer auf.
» Happy birthday to you! Happy birthday …« Seine Freunde sangen zwar ziemlich schief, dafür aber umso lautstärker. Ihr kleines Ständchen schien den Bautrupp in Tills Hirn ermutigt zu haben, sich noch ein wenig energischer vorzuarbeiten.
»Ein bisschen leiser bitte«, röchelte er, halb in die Kissen vergraben.
»Puh, hier muss frische Luft rein!«, entschied Gabriela und riss mit einem Ruck die Vorhänge zur Seite. »Hier stinkt es ja wie in einem Russenpuff!«
»Wo du schon überall gewesen bist«, stichelte Rolf und stellte ein Tablett mit Tortenstückchen auf das Bett. »Auf Kerzen haben wir verzichtet. Wir wären mit einem Päckchen Kerzen für dich nicht mehr ausgekommen, außerdem wollten wir dich nicht schon beim Aufstehen frusten.«
»Danke«, murmelte Till ironisch und tastete nach der Sonnenbrille, die irgendwo hinter seinen Matratzen liegen musste.
»Mann, dein Anblick ist das beste Argument dafür, schon mit zwanzig in ein Kloster einzutreten.« Almat bedachte ihn mit einem stoppelbärtigen Lächeln und hielt ihm eine Tasse dampfenden Kaffee unter die Nase. »Hast wohl letzte Nacht mit Johnny Walker in deinen Geburtstag reingefeiert.«
Vorsichtig nippte Till an der Kaffeetasse. Neben seinem Bett stand eine fast leere Weinflasche. War seine Dryade am Ende nur ein Weingeist?
»Bist du immer noch in einen Friedhofsbaum verliebt?«, spöttelte Gabriela.
Obwohl Till noch reichlich benommen war, spürte er, wie sich plötzlich die Atmosphäre im Zimmer änderte. Almat deutete Gabriela mit einer versteckten Geste an, dass sie die Klappe halten sollte. Rolf musterte verlegen die Decke und der sonst so stille Mark drängelte sich nach vorne.
»Wir haben dir natürlich auch ’ne Kleinigkeit mitgebracht.« Er legte einen länglichen, schweren Gegenstand auf das Bett, der nach alter Alesiersitte nicht in Geschenk-, sondern in Zeitungspapier eingewickelt war.
Froh, nicht über das Thema Friedhofsbäume reden zu müssen, setzte Till den Kaffee ab und begann an der Verpackung zu zerren, bis an einem Ende eine stilisierte, stählerne Faust zum Vorschein kam.
»Nein!«
»Doch!« Almat grinste noch immer, doch seine Fröhlichkeit wirkte zu schrill. Eine Maske, die allzu leicht zu durchschauen war. »Wir konnten es nicht mehr mit anhören, wie du bei jeder Gelegenheit allen die Ohren voll gequatscht hast. Ich hoffe, jetzt, wo du das sensationellste Schwert aller Zeiten besitzt, kann man mit dir vielleicht auch wieder über was anderes reden.«
Till riss die Verpackung ganz ab. Die Waffe steckte in einer ledernen Scheide, zu der auch ein geflochtener Gürtel gehörte.
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