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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Die Parierstangen waren sanft zur Klinge hin gebogen und endeten in schön ausgetriebenen, stilisierten Lilien. Der Schwertknauf aber war wie eine Faust geschmiedet worden. Vorsichtig zog Till das Schwert aus der Scheide. Die Klinge schimmerte matt und war frisch eingeölt. Eine doppelte Blutrinne machte die Waffe leichter und verlieh ihr zusätzliche Eleganz. »Ihr könnt doch nicht …«, stammelte Till verlegen. »Das ist doch viel zu teuer!«
    »Das kommt schon wieder rein. Schließlich haben wir dich gleich mit angemeldet.« Almat hielt ihm erneut den Kaffee unter die Nase. »Komm, trink noch ’nen Schluck und werde erst mal richtig wach.«
    »Mit angemeldet?«
    »Für die große Gladiatorenschwertkämpfershow. Hatte ich vergessen dir davon zu erzählen? Wir gehen an fünf Abenden in eine Disco bei Krefeld. Da haben sie ’nen Boxring aufgebaut und wir ziehen unsere übliche Schwertkampfnummer durch. Kein Aufwand und dicke Knete. Natürlich werden wir unsere Nummer noch ein bisschen aufpeppen. Ich habe schon fünf Liter Kunstblut besorgt.«
    »Aufpeppen? Kunstblut? Wovon redest du?«
    »Na ja, ich habe dem Veranstalter erklärt, dass wir schon ein bisschen härter sind als Boxer oder Wrestler. Der wollte was richtig Hammermäßiges … Wird ’ne prima Gelegenheit heute Abend, dein neues Schwert einzuweihen.«
    »Heute Abend!« Till sah verwirrt in die Runde. Nur Gabriela versuchte nicht seinem Blick auszuweichen. Langsam wurde er wütend. Er wusste nicht, was sie sich ausgedacht hatten, aber er brauchte niemanden, der über seinen Kopf hinweg Entscheidungen für ihn traf!
    »Immer mit der Ruhe!«, meldete sich nun Rolf zu Wort. »Ich hab mir heute frei genommen. Wir werden das schon schaukeln. Jetzt stellen wir dich erst mal unter eine schöne, kalte Dusche und jagen deinen Kater durch den Abfluss. Dann fangen wir mit den Proben an und … Sag mal, hast du ’ne Taschenlampe unter deinem Kissen versteckt?« Er tastete mit der Hand unter das Kissen und holte einen daumennagelgroßen, grünlich leuchtenden Stein hervor. »Was ist denn das?«
    Till erinnerte sich wieder. Neriella hatte ihm den Splitter geschenkt. Wenn er ihn in der Hand hielt und an sie dachte, dann konnte er in Zukunft auch ohne ihre Hilfe die Esche betreten. »Das ist ein Zauberstein. Ein Splitter vom Herzen des Baumes. Man kann mit ihm eine andere Welt betreten …«
    »Und ich bin die Gräfin von Monte Cristo«, unterbrach ihn Gabriela. »Der Kaffee bringt nichts, Leute. Er phantasiert immer noch. Ich hab euch doch gesagt, dass es ihn ganz schön erwischt hat. Da hilft nur noch die Dusche! Was seid ihr nur für Freunde! Seit der Sache mit Mukke habt ihr euch einen Furz um ihn gekümmert. Er braucht unsere Hilfe!«
    Rolf und Almat tauschten einen kurzen Blick, dann packten sie Till bei Armen und Beinen und zerrten ihn in Richtung Badezimmer.

9

    »Wie konntest du das tun, Nöhrgel?«
    Der Älteste ignorierte den jungen Heinzelmann, der wie ein aufgeschrecktes Huhn in seiner engen Kammer auf und ab lief und alle paar Schritte über Computerkabel stolperte. Nöhrgel prüfte noch einmal den Inhalt des kleinen Koffers, den er gepackt hatte. Die meisten Anzüge würde er zurücklassen müssen. Er seufzte. Dort, wo er nun hinging, würde er keine Anzüge mehr brauchen. Er trug jetzt eine speckige, schwarze Lederhose, eine dunkelgrüne Lodenjacke mit Hirschhornknöpfen und dazu einen roten Borsalino, den er seit mindestens vierzig Jahren nicht mehr aufgesetzt hatte. Die alten Sachen hervorgekramt zu haben, das half. In ihnen fühlte er sich jünger.
    »Ich hätte bei der Sache mit dem Werwolf sterben können, nicht wahr?«
    Birgel war unglaublich, dachte der Älteste. Während er von seinem möglichen Tod sprach, stand er in der Tür, fingerte nervös an seiner Zipfelmütze herum, die er mit Händen vor seinen Kugelbauch gepresst hielt, und starrte dabei verlegen auf seine Stiefelspitzen, als sei er es, der einen Fehler gemacht hatte.
    »Ich hatte vor dem Unternehmen mit dem Aktenkoffer den Wahrscheinlichkeitskalkulator befragt, Junge. Das war der Grund, warum ich dich ausgewählt hatte. Von allen Heinzelmännern, die infrage kamen, warst du der einzige, für den der Rechner als größte Gefahr des Tages eine akute Zwiebelkuchenvergiftung vorhergesagt hat.«
    »Nach Aussagen wie der über Sharon Stone traust du diesem verdammten Rechner noch!« Wallerich versetzte dem Computer einen Fußtritt, der den Bildschirm aufflackern ließ. »Du hast uns die

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