Nebenan: Roman
blickte auf und blinzelte mitleidig. Der Werwolf war der Einzige, der seinen Spaß an diesem Ausflug hatte. Cagliostro würde niemals begreifen, warum es Glücksgefühle vermittelte, sich in Kuhfladen zu wälzen und rohes Kaninchenfleisch samt Fell und Knochen zu fressen. Aber er war ja schließlich auch kein Werwolf.
»Du bist nicht bei der Sache«, lallte Mariana gereizt. Sie hatte im Laufe des Nachmittags schon drei Tollkirschen zu sich genommen und sprach in einer seltsam gedehnten Art, die Laien unerklärlicherweise immer mit magischen Ritualen in Verbindung brachten. »So wird das nie was! Du musst dich konzentrieren!«
Der Graf schmunzelte amüsiert. Sie wollte ihm also das Zaubern beibringen! »Eben hast du mir noch erklärt, dass dein Assistent bei der Beschwörung auch nicht bei der Sache war. Vielleicht war er es ja, der das Tor geöffnet hat?«
»Dieser Trottel weiß nicht mal, wann es für einen richtigen Mann an der Zeit ist, seinen Hosenstall zu öffnen!«
Cagliostro nickte mitfühlend. »Dennoch ist es so, dass weder Potenz noch Intelligenz in irgendeinem Zusammenhang mit magischer Begabung stehen. Hat er vielleicht eine auffällige Geste gemacht oder etwas Besonderes gesagt?«
»Der Stiefel!« Marianas Augen leuchteten auf. »Das muss es gewesen sein!«
»Stiefel?«
Die Druidin schilderte dem Grafen die Umstände der Beschwörung. Cagliostro blickte sehnsüchtig zum Auto. Es war der einzige trockene Platz im Umkreis von mindestens einem Kilometer. »Du erwartest also, dass ich jetzt meine Stiefel ausziehe und mich barfuß in den Schlamm stelle?«
» Ein Stiefel würde genügen. Stell dich nicht so an, als seist du aus Zucker. Du bist doch ein ganzer Mann.« Mariana beugte sich vor und warf einen weiteren Grillanzünder in das kümmerliche Feuer.
Was sollte man zu dieser Argumentation noch sagen? Cagliostro dachte wehmütig an sein warmes Italien und setzte sich in den kalten Schlamm, um seinen engen Schaftstiefel vom Fuß zu bekommen. Baldur hatte von seinem Kaninchen abgelassen und nutzte die Gelegenheit, ihm die Seidenstrümpfe abzulecken.
»So, jetzt nimmst du den rechten Stiefel in die linke Hand, steckst deinen rechten Arm in den Stiefelschaft, machst ein dummes Gesicht und beginnst mit der Anrufung!« In ihrer gedehnten Art zu sprechen brauchte die Druidin mehr als eine Minute, um die Anweisungen herunterzuleiern.
Cagliostro unterdrückte mit Mühe sein Zähneklappern und versuchte jeden Gedanken an das Sauwetter aus seinem Geist zu bannen. »Ich rufe die lodernde Macht, die Hitze und Glut entfacht, und …«
»Neeein! Du machst das zu gut. Du musst die Beschwörung stammeln.«
Cagliostro riss endgültig der Geduldsfaden. Wütend schmiss er den Stiefel in den Schlamm. »Ich bin der Großkoptha! Anrufungen zu intonieren ist meine besondere Begabung. Ich bin der Vorsitzende der Ägyptischen Loge. Weißt du überhaupt, was das bedeutet? Erzähl mir nicht, wie man ein Ritual vollzieht. Ich bin es meinem Ruf schuldig, dabei nicht herumzuschlampen!«
Die Druidin sah zum Werwolf. »Wirst du es verraten, wenn Cagli bei dieser Beschwörung herumstottert?«
Baldur wedelte mit dem Schweif und machte Männchen.
»Na schön«, knurrte der Graf unwillig und bückte sich nach dem Stiefel. »Eine Beschwörung ist kein Kinderspiel. Wenn wir Mist bauen und ein Dämon auftaucht, der sich sämtliche Knochen gebrochen hat, weil er durch ein schlüssellochgroßes Tor aus seiner Existenzebene gezerrt wurde, dann werde ich nicht damit hinter dem Berg halten, wer an diesem verkorksten Zauberspruch schuld ist.«
»Damit werde ich klarkommen«, antwortete Mariana gedehnt. »Was ist mit dir?« Baldur hatte irgendwo einen Knüppel aufgetrieben, den er der Druidin vor die Füße legte. Dann machte er wieder Männchen und gab ein erwartungsvolles »Wuff« von sich.
»Ich denke, er ist meiner Meinung«, kommentierte die Druidin und begann erneut mit der Anrufung der alten Götter.
Cagliostro starrte in die schwächlich tänzelnden Flammen und lauschte dem Regen. Weißer Schaum bildete sich an den Schnittstellen der nassen Holzscheite. Ein Käfer flüchtete vor dem Feuer und verschwand im zertretenen Gras. Der Graf spürte, wie Kälte seine Waden hochstieg. Er zeigte nicht gerne seine Beine. Für sein Empfinden waren sie zu dünn geraten. Hoffentlich war diese Farce von Beschwörung bald zu Ende. Marianas Stimme hatte etwas Einschläferndes. Cagliostro dachte an ihr Hotelzimmer. Es war schön, wirklich
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