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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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gehalten. Auch der Rest des Zimmers passte zur Tapete. »Das ist hier ja das reinste Rattenloch!«
    »Also, ich habe schon in viel übleren Absteigen übernachtet. Hier gibt es wenigstens fließendes Wasser.«
    Mariana bohrte mit dem Finger in einem der Stockflecken. Die Wand dahinter hatte die Konsistenz eines benutzten Kaugummis und war auch genauso feucht. »Fließendes Wasser die Wände hinunter meinst du wohl. Ich habe genug von der Sache. Ich geh jetzt einfach nach Hause. Ciao, Cagli.«
    Der Graf drängte sich vor ihr in die Tür. »Das kannst du nicht machen. Was glaubst du, was passiert, wenn du den Trollen in die Hände fällst? Die drücken dich platt wie eine Wanze. Hast du schon vergessen, was das für Gestalten sind?«
    »Vergessen? Wie sollte ich wohl binnen vierundzwanzig Stunden vergessen können, dass eine Horde Ungeheuer, die es nur im Kino geben dürfte, meine Wohnung in Kleinholz verwandelt hat. Gar nicht zu reden von deinem schlitzohrigen Freund, der mein Auto gestohlen hat. Ich werde vermutlich Jahre auf der Couch eines Psychiaters liegen, bis ich das wieder vergessen kann.«
    »Lass deine Affären mit anderen Männern aus dem Spiel. Von so etwas zu reden geziemt sich für eine Dame nicht.«
    »Du verdammter Idiot! Lerne doch endlich mal, was sich in dieser Welt geändert hat. Auf der Couch eines Psychiaters zu liegen, heißt nicht, mit ihm eine Affäre zu haben, ein Taxi hat nichts mit Steuern zu tun, und Fernseher ist kein neumodisches Wort für Fernglas.« Mariana packte den Grafen beim Kragen, ließ aber sofort wieder los, als Baldur leise zu knurren begann.
    »Reg dich nicht auf, meine Prinzessin. Alle stürmischen Liebesgeschichten zeichnen sich dadurch aus, dass man eine Zeit lang mit den Widrigkeiten des Lebens ringen muss.«
    »Und warum habe ich das Gefühl, dass vor allen Dingen ich die Geschädigte bin? Mein Auto ist weg, meine Wohnung ruiniert, und hast du gesehen, wie uns der Portier nachgeschaut hat, als ich mit dir und Baldur zu dieser Bruchbude von einem Zimmer hinaufgestiegen bin? Ich hasse dich!« Mariana ließ sich auf dem Bett nieder und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Worauf hatte sie sich nur eingelassen! Und wie zum Teufel konnte sie diesen verdammten Grafen wieder loswerden?
    »Tut mir Leid, dass heute so vieles anders ist. Zu meiner Zeit hat man nicht in jedem Gasthaus nach den Papieren gefragt, nur weil man dort übernachten wollte. Und man hatte auch kein Problem damit, eine Goldkette statt Münzen als Bezahlung anzunehmen. Die Hauptsache ist, dass wir erst einmal ein Dach über dem Kopf haben. Ich meine, sieh dich doch mal um. Ich finde, so übel ist das Zimmer gar nicht. Eigentlich genau das, was man erwartet, wenn man in einem Hotel Imperial absteigt.«
    »Das mag vielleicht für deine Zeit gegolten haben«, brummte Mariana. Am liebsten wäre sie jetzt allein gewesen, hätte in einem schönen, warmen Bad gelegen und alles hinter sich gelassen.
    »Also ich finde, manche Dinge sehen auf den zweiten Blick viel besser aus. Was meinst du, Baldur?«
    »Ja, Herr. Ihr habt selbstverständlich Recht.«
    Mariana fragte sich, ob Baldurs Hirn vielleicht unter seinen dauernden Verwandlungen gelitten hatte. Seine sklavische Ergebenheit ging ihr immer mehr auf die Nerven.
    Ein rückgratloser Jasager zu sein war eine Sache. Aber gestern früh hatte sie gesehen, wie er in Werwolfsgestalt, die Schnauze in einem der Stiefel Cagliostros vergraben, auf der Türschwelle zu ihrem Zimmer schlief.
    »Nun hab dich nicht so. Würdest du dir unsere gemeinsame Herberge einmal genauer anschauen, dann würdest auch du ihren besonderen Charme schätzen lernen.« Die Stimme des Grafen klang, als würde er auf ein störrisches Kind einreden. Mariana hasste es, in diesem Tonfall angesprochen zu werden! Trotzdem blinzelte sie durch ihre Finger. Der schäbige, graublaue Teppichboden mit seinem Muster aus Zigarettenbrandflecken war spiegelndem Parkett gewichen. Die Druidin blickte auf. Das ganze Zimmer schien größer geworden zu sein. Sie saß jetzt auf einem prächtigen Himmelbett mit schweren schwarzen Samtvorhängen. Zierliche, vergoldete Möbel standen an den Wänden, und Baldur trug nicht nur die blaurote Livree eines Dieners, sondern auch noch eine gepuderte Perücke. Von der Decke, die nun viel höher war, hing ein Kristallleuchter, in dem mindestens hundert Kerzen brannten, deren Licht sich in den verspiegelten Wänden brach.
    »Ich finde, dass selbst Ludwig XIV. den Damen seines Herzens

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