Nebenan: Roman
halbwegs gebildeten Heinzelmann ungefähr so kompliziert wie Nasenbohren ist, habe ich keine Probleme damit. Deine Frage, lieber Motzki, impliziert doch wohl, ob wir Nöhrgel nicht lieber zurückholen sollten. Daraus wiederum lässt sich nur schließen, dass du ein Parteigänger des verbannten Hochverräters bist. Du weißt, was die Gesetze des Rates über den Umgang mit Sympathisanten von Aufwieglern vorschreiben? Da wäre zunächst einmal Paragraph 17, Absatz 3 der Querulantenverordnung von 1703, wo es wörtlich heißt: Wer aber der Thätigkeit …«
»Genug, Laller!«, schnauzte Matzi erbost. »Auf diese Weise kommen wir nicht weiter! Wir sollten uns auf das Wesentliche beschränken. Eine Gruppe junger Heinzelmänner ist in die Hocheifel geflogen, um sich unter dem regionalen Kleinwild umzuhören und eine Beschreibung der Personen zu bekommen, die das Tor geöffnet haben. Wir haben außerdem …«
»Entschuldige, wenn ich dich noch einmal unterbreche, Vorsitzender, aber ich habe mich mit dem Problem bereits beschäftigt und dazu die Akten Nöhrgels eingesehen.«
»Hast du auch eigene Ideen?«, brummte Motzki.
Laller ließ sich von dem Einwurf diesmal nicht aus dem Konzept bringen und fuhr in sachlichem Tonfall fort: »Wir haben einige Namen von Menschen, die mit dem plötzlichen Auftauchen der Dunklen in Verbindung gebracht werden können. Außerdem ist nicht von der Hand zu weisen, dass Wallerich und Birgel einen wesentlichen Teil der Schuld daran tragen, dass die beiden Dunklen nicht wieder eingefangen werden konnten.«
»Das wissen wir alle«, wandte Matzi ein. »Aber da unsere Spitzel nun einmal alle aufgeflogen sind, können wir
Nebenan nichts mehr tun. Die Dunklen wissen genau, welchen Zwergenvölkern sie trauen können und welchen nicht. Wir werden in absehbarer Zeit keine V-Männer mehr bei ihnen einschleusen können. Uns sind die Hände gebunden. Wir müssen warten, bis sie herüberkommen und sie von hier aus wieder zurückschlagen.«
»Und genau das ist nicht richtig!« Laller erhob sich und ordnete mit einem raschen Griff seine Bartzöpfe. »Die Langen haben in solchen unangenehmen Situationen einen Lösungsansatz, der ebenso einfach wie genial ist. Sie nennen es das Verursacherprinzip. Man sucht sich einen Sündenbock und überlässt es ihm, die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Man findet einen Schuldigen, setzt ihn unter Druck und lässt ihn den Mist wegkehren, der angerichtet wurde.« Der neue Älteste sah zu Matzi und erwischte den Ratsvorsitzenden dabei, wie er gerade ganz in Gedanken versunken in seiner Nase bohrte. Ertappt richtete sich Matzi ruckartig auf, was beinahe zu einem schmerzhaften Unfall geführt hätte, griff nach dem kleinen Holzhammer, der vor ihm lag, und schlug damit dreimal auf den Tisch. »Meine lieben Brüder, lasst uns über Lallers Vorschlag abstimmen!« Er blickte in die Runde und hörte, wie sich Motzki räusperte. Doch noch bevor der Heinzelmann etwas sagen konnte, schlug er erneut mit dem Hammer auf den Tisch. »Damit ist der Vorschlag angenommen.«
Die meisten der Versammelten nickten zufrieden. Nur Motzki brummte vor sich hin. »Verursacherprinzip! Als ob von den Langen jemals etwas Gutes gekommen wäre.«
*
Mit einem tänzelnden Schritt schaffte es Till, der Klinge auszuweichen, die nach seiner Kehle gezielt hatte. Er spürte den Luftzug des Schwerts, als es kaum mehr als drei Fingerbreit an seinem Hals vorbei durch die Luft schnitt. Mit einer halben Drehung kam er in den Rücken des Schotten und rammte ihm seinen linken Ellenbogen ins Fleisch. Der Krieger stöhnte auf, torkelte ein kleines Stück vorwärts, ging aber nicht zu Boden. Stattdessen drehte er sich behände um und hob sein Schwert, um sich gegen einen erneuten Angriff abzuschirmen.
Einige Augenblicke umkreisten die beiden einander.
»Hack ihm die Rübe ab«, grölte jemand in der Finsternis jenseits des Rings.
Till versuchte gegen das helle Scheinwerferlicht anzublinzeln, um zu sehen, was dort vor sich ging. Schweiß tropfte ihm von den Brauen, fand einen Weg in seine Augen und blendete ihn nun vollends. Der Student machte einen raschen Schritt zurück und stieß mit dem Rücken gegen die Seile, die den Ring abgrenzten.
Wie ein silberner Halbmond schnitt die Klinge des Schotten durch die Luft. Till riss sein Schwert hoch. Kreischend schrammten die Waffen aneinander vorbei. Er hatte zu spät reagiert! Ein abgebremster Hieb traf ihn seitlich in die Rippen. Er spürte keinen Schmerz. Etwas lief
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