Nebenan: Roman
zaubern zu können. Im Grunde hatte er dem Erlkönig viel zu verdanken. Wo der Kerl wohl gerade steckte?
»Cagli!« Marianas Stimme schreckte ihn aus seinen Tagträumen. »Dein Einsatz«, erklärte sie gedehnt.
»Ähm …« Die Flammen änderten schlagartig die Farbe. Eine grüne Lichtsäule wuchs aus dem dichten Qualm.
»Das Tor!«, flüsterte Mariana ergriffen. »Wir haben es geschafft.«
Nur leider wissen wir nicht, was auf der anderen Seite liegt, dachte Cagliostro und hob den Koffer auf. »Du weißt, was du zu tun hast?«
Baldur klemmte den Schwanz zwischen die Hinterläufe und machte Anstalten, sich hinter Mariana zu verstecken.
»Es ist die Zeit für heldenhaftes und entschlossenes Handeln. Die Stunde der wahren Patrioten. Baldur, dies ist nur ein kleiner Schritt für dich, doch es wird ein großer Schritt für alle Geknechteten Nebenan werden.«
Der Werwolf winselte kläglich. Diesmal würde der Trick mit dem Stöckchen nicht mehr klappen, dachte der Graf ärgerlich. Er würde schweres Geschütz auffahren müssen. »Du weißt, wohin du gehen musst!« Cagliostro schleuderte den Koffer durch das leuchtende Tor ins Nichts und zog seinen linken Seidenstrumpf aus. Baldur sprang hinter Marianas Rock hervor, tänzelte aufgeregt um den Grafen und schnappte nach dem Strumpf. »So ist’s brav!«
Cagliostro holte weit aus und warf den schmutzigen Seidenstrumpf durch das Tor. Mit freudigem Kläffen machte Baldur einen Satz und war im grünen Licht verschwunden.
Der Graf wischte sich das nasse Perückenhaar aus der Stirn und atmete erleichtert auf. »Es geht doch nichts über treue Domestiken.«
»Versteh ich nicht!« Die Wirkung der Tollkirschen schien noch lange nicht vorüber zu sein. Die Druidin machte einen unsicheren Schritt in Richtung der Flammen. »Schnell, bevor das Tor sich schließt«, stammelte sie gedehnt.
Cagliostro erhaschte gerade noch einen Zipfel ihres Mantels und riss sie mit aller Kraft zurück. »Bist du denn von allen guten Geistern verlassen? Wir haben doch keine Ahnung, wohin das Tor führt und wer auf der anderen Seite steht. Bist du schon einmal einem unausgeschlafenen Drachen auf den Schwanz getreten oder einem übellaunigen Dämon in die Arme gelaufen? Wir bleiben schön hier. Wenn Baldur den Koffer dort abliefert, wo ich es ihm befohlen habe, müsste er in drei oder vier Tagen zurück sein. Bis dahin müssen wir nur eine Kleinigkeit aus dem Dom abholen. Haben wir erst einmal das Elfenbein, dann können wir alle Tore öffnen, die die tyrannischen Zwerge besetzt halten.«
*
Mit einem markerschütternden Rülpser brachte Mazzi die aufgeregte Ratsversammlung zur Ruhe. »Laller, würdest du uns bitte den Sachverhalt schildern!« Der korpulente Heinzelmann blickte in die mürrischen Gesichter der übrigen Standesvertreter am langen Ratstisch. »Und euch würde ich darum bitten, unserem Ältesten zuzuhören. Anschließend wird jeder Gelegenheit haben, sich zu Wort zu melden.«
Laller spielte nervös an einem seiner Bartzöpfe und räusperte sich. »Am frühen Abend ist es zu einer weiteren Anomalie in der Eifel gekommen. Offensichtlich ist wieder ein Tor nach Nebenan geöffnet worden. Ich habe bereits unsere Brüder Nebenan benachrichtigt. Zur Stunde werden unsere sämtlichen Spitzel, die in Kontakt mit den Dunklen sind, zurückgezogen. Nach dem Verlust der Namensliste ist es zu gefährlich, sie weiterhin im Einsatz zu belassen. Dies wiederum bedeutet, dass wir gerade jetzt, in einer kritischen Phase, kaum weitere Informationen über das Vorgehen der Dunklen bekommen werden.«
»Und der Wahrscheinlichkeitskalkulator?«, warf Motzki, der wie üblich griesgrämig dreinblickende Vertreter des Clans der Taschenstopfer, ein. »Hat denn hier keiner auch nur für einen Groschen Verstand? Warum benutzen wir nicht diese Maschine, um die Dunklen auszuspionieren?«
»Weil der Computer nach irdischen Parametern programmiert ist!«, erwiderte Laller scharf. »Ich habe ihn heute Nachmittag getestet und nach der durchschnittlich zu erwartenden Größe eines zweihundertjährigen Höhlendrachen gefragt. Als wichtigste Quelle zur Beantwortung dieser Frage nannte er mir ein Kinderbuch, bei dem es um einen Lokomotivführer geht, der ein Findelkind großzieht. Nach dieser Antwort erübrigen sich weitere Fragen über Nebenan .«
»Könnte es vielleicht sein, dass du nicht in der Lage bist, mit dieser Maschine richtig umzugehen?«, hakte Motzki nach.
»Da der Umgang mit einem Computer für einen
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