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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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Sie mit jemandem von der Polizei oder den Behörden darüber gesprochen?«
    »Nein, ich wollte Ihre Meinung hören und ich weiß auch gar nicht, ob ich mich da überhaupt einschalten soll. Ich bin froh, dass ich mir hier selbst eine Existenz schaffen konnte. Die will ich durch nichts infrage stellen.«
    »Verstehe. Schön, dass Sie mich angerufen haben. Domo arigato gozai-masu … Ich werde den Artikel lesen und mir ein eigenes Bild machen, dann rufe ich Sie zurück.«
    Ich verabschiedete mich, legte auf und sah Carol an. »Das alles hatte ich die letzten paar Stunden fast vergessen«, sagte ich und griff nach ihrer Hand. »Ich sehe mir jetzt gleich meine E-Post an und drucke mir den Artikel aus. Dann können wir uns ja wieder auf die Terrasse setzen.«
    Das taten wir auch, nachdem ich den Artikel ausgedruckt und gelesen hatte. Ich legte ihn Carol hin und wartete, bis diese ihn ebenfalls gelesen hatte:
Polizei findet Urzeitmenschen in Waldstück in der Nähe des Ausflugsortes Kamakura. Bericht unseres Korrespondenten:
Am Freitag der vergangenen Woche stießen Spaziergänger auf einer Bergwanderung in der Nähe von Kamakura auf einen unbekannten, mit Tierfellen und einem Lendenschurz aus grobem Stoff bekleideten Mann, der sichtlich die Orientierung verloren hatte und sich auch den Spaziergängern nicht verständlich machen konnte.
In der Annahme, der Mann sei aus einer Anstalt für Geistesgestörte entwichen, brachten sie ihn auf die Polizeistation der Präfektur Kamakura, wo die Beamten, ebenfalls vergeblich, versuchten, sich mit ihm zu verständigen.
Da seine Sprache Anklänge an die unsere erkennen ließ, setzte sich der Leiter der Dienststelle mit dem sprachwissenschaftlichen Institut der Universität Tokio in Verbindung, worauf Professor Hideki Nakamura sich nach Kamakura begab und versuchte, mit dem Mann in Kontakt zu kommen.
Nach einigen Versuchen stellte sich heraus, dass der Mann, der sich Imaki nennt, eine verstümmelte Form des chuko nihongo, also des Klassischjapanisch, spricht, das während der Hejan-Zeit (794–1185) gesprochen wurde.
Er erklärte, er gehöre einem kleinen Bergstamm an von etwa hundertfünfzig Menschen, die seit Jahrhunderten in der Gegend um Kamakura lebten und Überlebende einer gewaltigen Naturkatastrophe seien, die das Land – oder wie er sagte: ›die Welt‹ – vor tausend Jahren heimgesucht und alles Leben im weiten Umkreis vernichtet habe. Seiner häufig sehr verworrenen und auch durch mangelnde Ausdrucksfähigkeit stark behinderten Darstellung nach lebt sein Stamm seitdem ohne Kontakt zur Außenwelt und hält sich nur mühsam durch Jagd und Sammeln von Beeren und Waldfrüchten am Leben.
Nach Ansicht von Professor Nakamura klingen die Aussagen des Mannes glaubwürdig. Die Tatsache, dass er eine dem chuo nihongo verwandte Sprache spricht, die mit einigen völlig unverständlichen Vokabeln durchsetzt ist, lässt auch seinen Hinweis auf die tausend Jahre, die sein Stamm in Isolation verbracht haben soll, plausibel erscheinen, zumal der Intelligenzgrad des Mannes es recht unwahrscheinlich erscheinen lässt, dass er sich eine solche Geschichte ausgedacht haben könnte. Auch der Name, welcher ›Reispflanzer‹ bedeutet, ist nach den in der Hejan-Zeit üblichen Methoden der Namensgebung plausibel.
Die Präfekturverwaltung hat eine groß angelegte Suchaktion in dem fraglichen Gebiet angeordnet, die jedoch bis zur Stunde keine Spuren des von dem Mann erwähnten Stammes entdecken konnte.
Der Gesundheitszustand des Mannes scheint angegriffen, er befindet sich jedoch außer Lebensgefahr.
     
    Tanabe hatte in Blockbuchstaben hinzugefügt:
Das erinnert alles sehr stark an das, was Sie mir über die Geschichte der ›Gäler‹ in Ihrer/unserer Parallelwelt erzählt haben. Insbesondere der Hinweis auf den Feuergott, den unsere Mythologie tatsächlich auch unter diesem Namen, wenn auch in anderem Zusammenhang kennt, deutet auf die Erklärung einer Priesterschaft, die den Leuten möglicherweise dieselbe Naturkatastrophe erklären wollte, die unseren Planeten nach Darstellung Ihrer Gesprächspartner in jener Parallelwelt vor tausend Jahren heimgesucht hat.
Ich bin gespannt, was Sie von der ganzen Geschichte halten. Nach meiner Vorstellung ist sie nur eine weitere Bestätigung dessen, was wir die letzten Tage besprochen haben.
Ihr ergebener Freund und Schicksalsgenosse
Masao Tanabe
     
    Carol blickte auf und legte das Blatt beiseite. »Armer Teufel«, meinte sie. »Man könnt ja fast meinen, dass

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