Nebenweit (German Edition)
in dieser Welt konfrontiert war: einem Mann, der in jeder Faser seines Wesens wie ich und doch ein anderer war. Auch sie und er mussten sich mit dem Gedanken auseinandersetzen, dass dies vermutlich für immer so bleiben würde. Und ob mein Pendant – vielleicht wäre Zwilling der bessere Ausdruck – sich ähnlich wie ich um Kontakte zu den Menschen jener (ganz) anderen Welt bemühte, die zwischen den Zeitlinien hin und her gehen konnten, wusste ich natürlich nicht. Ob es dort auch einen ›Dupont‹ gab, und wenn ja, ob auch er Kontakt zu Bernhard hatte.
Fragen über Fragen, und vielleicht würde es eines Tages auch Antworten darauf geben, aber für den Augenblick war es am vernünftigsten, die Dinge einfach so hinzunehmen, wie sie waren.
Und dass Carol mich nicht ablehnte, sondern im Gegenteil meine Nähe suchte, half dabei.
Ich verdrängte all diese Gedanken und stieg aus der Dusche, hüllte mich in einen Bademantel, rasierte mich und ging die Treppe hinunter, wo sich jetzt in den Duft des Schinkens der von frischem Kaffee mischte. Carol hatte den Tisch üppig gedeckt, frisch gebackenes Brot – unser Bergdomizil hatte dazu geführt, dass wir in dem Punkt zum Selbstversorger geworden waren –, Rührei, Speck, Orangensaft, frisches Obst … eine wahrhaft lukullische Tafel.
Auch Carol war noch im Morgenrock, einem flauschigen, lindgrünen Mantel, unter dem man ihr dünnes Negligé ahnen konnte, aus dem ich sie in der vergangenen Nacht geschält hatte. Sie hatte sich das Haar hinten hochgesteckt, Lippenstift und Make-up aufgelegt und sah zum Verlieben aus. Das sagte ich ihr auch und genoss die leichte Röte, die ihr dabei in die Wangen stieg.
»Wie fühlst du dich?«, fragte sie; es klang beinahe ein wenig kokett, und schenkte mir Kaffee ein. »Ich dachte, du könntest ein kräftiges Frühstück gebrauchen«, fügte sie dann augenzwinkernd hinzu und setzte sich mir gegenüber. »Du hast geschlafen wie ein Murmeltier, darum habe ich dir auch heute das Gassigehen mit Charlie abgenommen«, meinte sie dann und schnitt sich eine Scheibe Brot ab. »Was wollen wir heute machen? Es soll ein schöner Herbsttag werden, habe ich in den Nachrichten gehört.«
Erst jetzt merkte ich, dass im Hintergrund der Fernseher eingeschaltet war, allerdings mit gedämpfter Lautstärke. Es lief irgendeine der tausend Serien, die den Großteil des Programms ausmachten.
»Ich hatte gedacht, dass ich mich ein wenig im Garten betätige, wer weiß, wie lange das schöne Wetter noch anhält?«, erwiderte ich. »Und dann sollten wir sehen, dass wir etwas mehr über Dupont in Erfahrung bringen. Wir haben ja jetzt seine Adresse und sein Autokennzeichen. Aber einfach wird das nicht sein.«
»Wieso?«, wunderte sich Carol. »Ich rufe da einfach bei der Polizei an, dann sagen die mir das doch.«
»Schon mal von Datenschutz gehört?«, wandte ich ein und verstummte dann, als ich ihre verblüffte Miene sah. »Oder gibt es den hier etwa nicht?«
»Datenschutz?«
»Na ja, es gibt doch vermutlich auch hier Gesetze, die die Privatsphäre schützen, oder nicht?«
»Schon, aber doch nicht, wenn ich wissen möchte, wem ein Auto gehört. Das schadet doch niemand.«
Und so dauerte es tatsächlich nur wenige Minuten, bis wir erfuhren, dass Duponts Audi auf die Privatklinik ›Mens sana in corpore sano‹ in Rosenheim zugelassen war, als deren Chefarzt ein Dr. Jacques Dupont fungierte. Dass er so offen auftrat, seine Visitenkarte mit Privatadresse hergegeben und gar nicht erst versucht hatte, seinen beruflichen Hintergrund zu verbergen, wunderte mich und trug dazu bei, meinen Argwohn dem Mann gegenüber etwas zu mildern.
Wir plauderten eine Weile über Belangloses, ich erzählte Carol von meinen bescheidenen Wahrnehmungen im Großjapanischen Reich und dann zogen wir beide Vergleiche zu dem Japan, das wir vor zehn Jahren kennengelernt hatten. An der Schönheit des Hakone-Parks hatte sich jedenfalls nichts geändert, stellte ich fest.
Ich wusste, dass es Carol ebenso wie mich drängte, über uns, unsere Zukunft und unsere Beziehung zu sprechen, aber wir spürten beide, dass dies nicht der richtige Augenblick dafür war. Also flüchteten wir uns ins Alltägliche. Als Carol dann erklärte, sie wolle ins Dorf, um Einkäufe zu machen, und mich fragte, ob ich etwas brauche, war mir dies nicht unangenehm, und ich meinte, ich würde mir die Zeit unterdessen mit Gartenarbeit vertreiben, das täte mir nach dem langen Flug gut.
Diese Absicht setzte ich dann
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