Nebenweit (German Edition)
eleganten Eingangsbereich mit einer Empfangstheke. Das Foyer war ganz in hellem Ahorn und Aluminium gehalten, der Marmorboden glänzte, als wäre er gerade erst frisch poliert worden. ›Mens sana in copore sano‹, stand in schlichten Lettern über dem Eingangsportal, und ich konnte mir gut vorstellen, dass man in solchen Räumen gesund werden konnte. Im Branchenverzeichnis hatte ich gelesen, dass es sich bei der Institution um eine Rehabilitationsklinik handelte und dass Dr. med. Jacques Dupont hier Chefarzt war.
Nachdem ich mich kurz im Eingangsbereich umgesehen hatte, war ich wieder zu meinem Wagen zurückgegangen, ehe die Empfangsschwester mich fragen konnte, was ich wolle. Ich hatte nicht vor, Dupont in seinem Büro aufzusuchen, dazu verfügte ein Krankenhaus über zu viele Mittel, um einen Besucher mundtot zu machen oder verschwinden zu lassen. Ich hatte den Mercedes in der Einfahrt abgestellt, sodass man ihn aus dem Raum im Obergeschoss, der sich durch seine Vorhänge von den anderen Räumen unterschied, sehen konnte. Vermutlich war dort das Chefbüro, aber da konnte ich mich natürlich täuschen.
Ich setzte mich wieder hinters Steuer und wählte die Nummer, die auf Duponts Visitenkarte stand. Es war halb elf, um die Zeit sollte ein Chefarzt auch an einem Samstag im Büro sein. Carol hatte mitkommen wollen, ich hatte es aber für besser gehalten, sie in der Stadt abzusetzen, und sie aufgefordert, mich in Abständen von etwa einer Stunde anzurufen, nur für alle Fälle.
»Vorzimmer Dr. Dupont«, meldete sich eine freundliche Frauenstimme. »Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Indem Sie mich zu Ihrem Chef durchstellen. Sagen Sie ihm, Bernd Lukas möchte ihn sprechen.«
»Darf ich ihm sagen, in welcher Angelegenheit?«
»Wenn Sie ihm meinen Namen sagen, wird ihm das genügen. Sie können ja hinzufügen, es gehe um Obertix«, grinste ich.
»Um was?«
Bildete ich mir das nur ein oder war die Frau erschrocken?
»Obertix, Sie haben schon richtig gehört. Herr Dr. Dupont wird schon wissen, was ich meine.«
»Augenblick bitte.«
Der Augenblick dauerte keine zehn Sekunden, bis Dupont sich meldete. »Herr Lukas, welche Überraschung. Wo sind Sie?«
»Ganz in Ihrer Nähe, schauen Sie mal aus dem Fenster«, forderte ich ihn auf. Der Vorhang schob sich auseinander. Ich hatte also richtig getippt. »Der silberne Mercedes in Ihrer Einfahrt, sehen Sie mich?« Ich ließ die Scheibe herunter und winkte. Der Vorhang schloss sich wieder. Dupont, sonst die Gelassenheit in Person, war die Überraschung anzumerken.
»Jetzt haben Sie mich aber wirklich überrascht, warum kommen Sie nicht herauf?«
»Weil ich das nicht für klug halte. Aber ich würde mich sehr gerne mit Ihnen unterhalten. Allerdings nicht in Ihrem Büro.«
»Gut, ich bin in drei Minuten bei Ihnen«, versprach er. »Ihre Gattin wird Ihnen ja berichtet haben, dass ich sie vorgestern aufgesucht habe.«
»Allerdings, und deshalb will ich mich jetzt revanchieren. Bis gleich also. Ich warte so lange im Auto.«
Es dauerte keine drei Minuten, bis Dupont im Eingangsportal erschien. Er trug einen weißen Arztmantel und schien das erst zu bemerken, als die automatische Tür sich vor ihm geöffnet hatte und er ins Freie trat. Er griff sich in einer fahrigen Geste an den Kopf, machte auf dem Absatz kehrt und erschien zwei Minuten später wieder, diesmal mit einem karierten Sportsakko und offenem Hemd bekleidet. Das war das erste Mal, dass ich ihn ohne Krawatte zu sehen bekam.
Ich stieg aus und ging ihm ein paar Schritte entgegen. »Sie haben ja auch Spaß an plötzlichen Überfällen, und da habe ich mir gedacht, ich revanchiere mich bei Ihnen. Und meine Frau lässt sich entschuldigen, sie war wohl etwas unhöflich, fand sie, nachdem Sie gegangen waren. Aber wenn man so ganz allein in einem abgelegenen Haus wohnt, noch dazu, wenn es kurz vorher in der Nähe gebrannt hat …«
Ich sprach den Satz nicht zu Ende und schüttelte ihm die Hand. »Es ist schön, dass Sie sich gleich für mich Zeit genommen haben, es gibt nämlich einiges zu bereden. Und Sie wollten mich ja auch sprechen.«
»Ja, das wollte ich in der Tat, ich habe nämlich eine Bitte an Sie, aber dazu vielleicht später. Wo waren Sie denn die letzten Tage?« Er sah mich erwartungsvoll an.
»Ich werd’s mir überlegen, ob ich Ihnen das verrate«, nahm ich ihm den Wind aus den Segeln. »Aber steigen Sie ein, wir fahren in die Stadt und suchen uns ein Lokal, wo wir uns in Ruhe unterhalten können.
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