Nebenweit (German Edition)
damit, dass jetzt einer die Knarre nehmen und mich erledigen würde. Aber die haben mich bloß weitergezerrt, bis an einen Waldweg, wo ein Wagen mit laufendem Motor stand, so ein dicker Geländewagen, Sie wissen schon, ein Offroader. Da haben die mich reingeschubst, und dann ging’s los. In einem Höllentempo sind die gefahren, und das auf dem schmalen Waldweg, noch dazu ohne Licht.
Ich hatte mächtig Schiss, gerade dass ich mir nicht in die Hose gepinkelt habe, wenn Sie wissen, was ich meine. Schiss, dass die mich am Ende doch noch abknallen, Schiss, dass sie gegen einen Baum prallen, Schiss, dass die Bullen uns schnappen und das ganze Theater von Neuem losgeht. Keine Ahnung, wie die das ohne Licht so hingekriegt haben, wahrscheinlich hatten sie Infrarotgeräte, wie die Army sie hat.
Na ja, um es kurz zu machen, schließlich blieb der Wald hinter uns zurück, wir fuhren auf der Straße weiter und die haben das Licht wieder eingeschaltet, da wurde mir allmählich wohler. Wenn die mich hätten erledigen wollen, hätten sie das ja schließlich im Wald getan, dachte ich mir. Dann sah ich vor mir die Ortstafel von Rosenheim, und kurz darauf hielten sie vor einem großen Bau, in dem Licht brannte. Wie ein Krankenhaus sah der aus oder wie eine Klinik, dachte ich, als sie mich reinführten. Sie wissen schon, da sind die Böden immer auf Hochglanz poliert, dass man sich drin spiegeln kann. Dann haben sie mich in dieses Zimmer gebracht und die Tür von außen abgeschlossen. Ein wenig später kam eine Schwester und brachte mir zu essen. Fleischbrühe und ein Stück Brot. Ich war ausgehungert und habe alles runtergeschlungen, aber dann hat sie mir die Brühe weggenommen und sich dabei auf den Bauch getippt. Wahrscheinlich wollte sie mir sagen, dass ich vorsichtig sein sollte, weil ich doch eine ganze Weile nichts gegessen hatte.
Ja, und dann hat sie mir eine Tasse Milch gebracht, da muss wohl ein Schlafmittel drin gewesen sein, denn ich bin gleich darauf eingeschlafen. Als ich wieder aufgewacht bin, hat mir eine andere Schwester Waschzeug gebracht und ich habe erst mal geduscht. Als ich aus der Dusche kam, saß Ihr Freund von vorhin auf dem Stuhl, auf dem Sie jetzt sitzen, und hat versucht, mich auszufragen. Aber das war wieder recht mühsam, weil der kaum Englisch konnte. Ich weiß nicht, wieso das so ist. Ich habe euch Deutsche früher immer bewundert, weil fast jeder irgendwie Englisch kann, die meisten recht gut und viele so perfekt wie Sie. Ja, und jetzt bin ich seit einer Woche hier, bekomme ordentlich zu essen und will bloß hier raus und nach Hause.«
»Das kann ich Ihnen nachfühlen«, nickte ich und legte ihm dabei die Hand auf den Arm. Dabei kam ich mir fast onkelhaft vor, aber der alte Mann tat mir wirklich leid.
Dupont wollte ja, dass ich ihm die Situation erklärte, aber dafür schien mir dies noch nicht der richtige Zeitpunkt. Deshalb machte ich zunächst ein wenig auf Arzt. »Sie sind noch ziemlich schwach«, fing ich an und wusste noch gar nicht recht, wie ich weitermachen sollte. Die Rolle lag mir ganz und gar nicht …
Geradewegs so, als hätte er das geahnt – in Wirklichkeit aber wahrscheinlich, weil der Kerl mich durch eine versteckte Kamera beobachtet hatte –, wählte der Herr Doktor Dupont diesen Augenblick, um nach kurzem Anklopfen ins Zimmer zu treten.
»Bitte erklären Sie Herrn Mortimer, dass wir uns für ihn verantwortlich fühlen, Gründe brauchen Sie ja meinetwegen keine zu nennen, und dass wir ihn aus der Hand einer Verbrecherorganisation befreit haben und uns jetzt darum kümmern werden, dass er wieder zu Kräften kommt«, fing er an, und da fiel ich ihm ins Wort.
»Was das für eine Verbrecherorganisation ist, werden Sie schon vorher gefälligst mir erklären! Ich habe jetzt wirklich keine Ahnung, was das alles soll.«
Mortimer hing mir an den Lippen. Seine Deutschkenntnisse reichten zwar nicht aus, um unser Gespräch zu verstehen, aber dass ich erregt war, spürte er bestimmt.
»Sie sollten ihn zunächst einmal vielleicht einfach beruhigen und ihm eine kleine Pause vorschlagen, dann kann ich Ihnen das Ganze erklären«, bat Dupont, dem anzusehen war, dass er das ernst meinte. Ich wandte mich also wieder Mortimer zu und sagte ihm, der Arzt habe eine kleine Pause vorgeschlagen, weil er das Gefühl habe, er, Mortimer, sei erschöpft, und dass ich mich dieser Meinung angeschlossen habe. Ich versprach ihm, bald wieder zurückzukommen, und schlug ihm vor, die Zeit für eine Tasse
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