Nebenweit (German Edition)
festen Boden unter den Füßen, ähnlich den Wegen in seinem Dorf, die die Füße der Bewohner über Generationen festgestampft hatten. Seine und seiner Begleiter Schritte klangen jetzt anders, wurden anscheinend von Wänden zurückgeworfen. Vielleicht befanden sie sich in einer Höhle, dachte er.
Dann spürte er eine Hand an der Stirn und die Mütze wurde ihm abgezogen. Er kniff die Augen zusammen, um sie vor der Helligkeit zu schützen, die ihn umgab. Dabei wurde der Raum, in dem er sich befand, nur von ein paar Öllampen auf dem Boden erhellt, deren Licht ihm aber nach über einer Stunde künstlicher Dunkelheit taghell erschien. Es roch muffig, der Rauch der Öllampen biss in seinen Augen. Sein linker Bewacher hatte die Hand von seinem Arm genommen und entfernte sich jetzt. Er sah sich vier Gestalten gegenüber, eine davon war Xolax, die drei anderen saßen auf dem Boden und trugen Kapuzen mit Augenschlitzen, aus denen im Lampenschein das Weiß ihrer Augen blitzte.
»Setz dich«, forderte Xolax ihn auf. Er nahm einen Becher von einer Bank und reichte ihn ihm. »Da, trink, das ist Wasser.« Edux griff dankbar nach der Erfrischung. Das Wasser war kalt und klar, und er leerte den Becher mit einem Zug.
»Die drei Männer, die du hier siehst, sind die Führer unserer Bewegung«, fuhr Xolax fort. »Wir haben dich beobachtet und glauben, dass du ähnlich wie wir denkst und nicht mit der Art und Weise einverstanden bist, wie gewisse Leute die Tradition unseres Volkes und die Gebote der Götter mit Füßen treten, indem sie sich in der Anderen Welt bereichern und voll Hochmut auf jene herabsehen, die ihnen nicht dorthin folgen können.
Unser großer Meister Alu Potax hat vor vielen Jahren seinen Widerstand gegen diese Verhöhnung unserer Sitten zum Schein aufgegeben, sich aber schon bald nach jener entscheidenden Abstimmung entschlossen, im Geheimen einen eigenen Weg zu gehen, und hat diesen Stützpunkt gegründet, den nur Eingeweihte kennen. Wir als seine Gefolgsleute haben geschworen, den Widerstand gegen diese Perversion von allem, was uns heilig ist, nicht aufzugeben. Wir haben aber auch erkannt, dass wir jene Verblendeten nur mit ihren eigenen Waffen schlagen können. Das zwingt uns, uns der gleichen Mittel wie sie zu bedienen – so lange, bis wir Mittel und Wege gefunden haben, diesem unseligen Tun ein für alle Mal ein Ende zu bereiten.«
Er hielt inne und sah Edux erwartungsvoll an.
Und dann hatten die Fragen begonnen: ob er an die Götter glaube, ob er meine, mit Gegenständen aus der Anderen Welt glücklicher zu sein, ob es in seiner Familie jemanden gebe, der Dinge aus der Anderen Welt besitze, ob er bereit sei, für seine Überzeugung zu sterben …
An dem Punkt hatte Edux gezögert, und der Mann unter der Kapuze, der die Frage gestellt hatte, hatte sie in ungehaltenem Ton wiederholt und hinzugefügt, ob er, Edux, eigentlich wisse, wie viel Unheil jene, die sich ständig in der Anderen Welt aufhielten, über ihr Volk gebracht hätten. Als Edux dies verneint hatte, war sein Befrager freundlicher geworden. »Erinnerst du dich, wie vor zwei Monden ein Dutzend Kinder gestorben sind, Kinder, die bisher völlig gesund gewesen waren und die plötzlich nicht mehr aufgehört haben, zu husten und Blut zu spucken? Das war eine Krankheit, die jemand aus der Anderen Welt mitgebracht hat, und wir können von Glück reden, dass unsere Weisen Frauen so schnell ein Gegenmittel gefunden haben …«
Das hatte Edux nachdenklich gemacht, er hatte sich immer nach einem der hübschen Klappmesser gesehnt, die manche seiner Freunde besaßen und die ihnen Verwandte von Besuchen in der Anderwelt mitgebracht hatten …
Vier Stunden hatte das Verhör gedauert, die drei Männer in den Kapuzen hatten abwechselnd auf ihn eingeredet, mal freundlich, mal streng, mal mit drohendem Unterton. Dann hatten sie ihn weggeschickt, ihm befohlen, in einer engen Höhle zu warten, während sie ihr Urteil über ihn fällten. Er fragte sich, was wohl mit ihm passieren würde, wenn sie zu dem Schluss gelangten, dass man ihm nicht vertrauen könne. Würden sie ihn töten? Es waren immer wieder junge Männer und Frauen seines Alters einfach verschwunden, und man munkelte, geheime Kräfte hätten sie entführt und getötet. War das das Schicksal, das ihn erwartete? Edux vergrub das Gesicht in den Händen und gab sich alle Mühe, solche düstere Gedanken zu verdrängen. Für ihn stand fest, dass es für ihn und die Seinen besser wäre, wenn es die
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