Nebenweit (German Edition)
Andere Welt nicht gäbe, auch wenn das bedeutete, dass man auf manche erstrebenswerte Dinge verzichten musste. Aber schließlich ging es ihnen gut, sie hatten zu essen, hatten ein Dach über dem Kopf und die Götter sorgten für gute Ernten …
Mit diesem Gedanken musste er eingenickt sein, schließlich hatte man ihn vor vielen Stunden und nach einem Tag anstrengender Arbeit auf den Feldern aus dem Schlaf gerissen, und er hatte einen anstrengenden Marsch mit verbundenen Augen und ein Verhör hinter sich, das seinen Nerven mächtig zugesetzt hatte.
Eine Hand packte ihn an der Schulter, rüttelte ihn und eine Stimme, die aus weiter Ferne zu kommen schien, rief ihm zu:
»Edux, wach auf, die Weisen verlangen nach dir.«
***
Damit hatte seine Zeit in der Bewegung begonnen. Er hatte einen Eid ablegen müssen, sich verpflichten müssen, seinen Vorgesetzten rückhaltlos zu gehorchen, gegenüber allen, die nicht der Bewegung angehörten, strengstens Stillschweigen zu bewahren, und seine ganze Kraft den Zielen der Bewegung zu widmen. »Du wirst jetzt viel lernen müssen, Edux«, hatte Xolax ihm erklärt, der für die nächsten Wochen sein Betreuer sein sollte. »Du wirst die nächsten Wochen hier im Stützpunkt verbringen, wirst lernen, wie man in die Anderwelt gelangt und wieder aus ihr zurückkehrt.«
»Waaas?« Edux hatte Xolax entsetzt angestarrt, als hätte der von ihm verlangt, sich in Luft aufzulösen. »Ich dachte, die Bewegung ist gegen den Umgang mit der Anderwelt? Jetzt weiß ich wirklich nicht mehr, was ich denken soll!«
»Ganz ruhig, mein Freund«, Xolax legte ihm die Hand auf die Schulter. »Du hast doch gehört, dass wir den Gegner mit seinen eigenen Waffen besiegen wollen. Wir müssen uns die Kenntnisse der Anderwelt zu eigen machen, um uns davor schützen zu können. Andernfalls sind wir diesen Verrätern rettungslos unterlegen. Erst wenn wir uns durchgesetzt haben, können wir uns in unsere eigene Welt zurückziehen und wieder so leben, wie die Götter es von uns verlangen. Ich weiß, das ist nicht leicht zu verstehen, ich hatte damit auch meine Probleme, als ich in die Bewegung eintrat, aber wenn du eine Weile bei uns bist, wirst du das verstehen.«
Und Edux hatte gelernt, hatte geschwiegen und war ein treuer Anhänger der Bewegung geworden, einer der im Laufe der Jahre andere angeworben und selbst in den Rängen aufgestiegen war …
Germaniawelt
33
1943
Ein Diktator herrschte über Deutschland, das er das Großdeutsche Reich nannte, seine Truppen hatten fast ganz Europa überrannt und unter seine Herrschaft gezwungen, doch jetzt drohte sich das Kriegsglück zu wenden. In einer Stadt im Süden Russlands, sie war nach dem russischen Diktator Stalin benannt, waren an die 300 000 deutsche Soldaten von einer fast dreifachen Übermacht der Russen eingekesselt, ihr Schicksal besiegelt. Doch ehe es zur vernichtenden Kesselschlacht kommen konnte, setzte der Diktator seine letzte Waffe ein, eine Waffe, die die Welt verändern sollte. Über Moskau erhob sich eine pilzförmige Wolke, eine Million Menschen starben (weitere drei Millionen sollten in den folgenden zwanzig Jahren an den Folgen dieser ersten Atombombe sterben), und der Diktator drohte, binnen einer Woche ähnliche Bomben über London und New York abwerfen zu lassen, wenn man nicht auf seine Forderungen einging …
Fünfzehn Jahre später beherrschte Deutschland Europa bis zum Ural und kontrollierte gemeinsam mit dem mit ihm verbündeten Japan den Rest der Welt mit Ausnahme der USA, die sich zur Neutralität verpflichtet und in die Isolation zurückgezogen hatten.
***
1960
Zwanzig Jahre waren vergangen, seit Edux in die ›Bewegung‹ eingetreten war. Aus ihm war ein reifer Mann geworden, dem man schon vor Jahren die Würde eines Alu verliehen hatte und der in der Bewegung gewichtige Entscheidungen traf. Die Zahl der Anhänger war mittlerweile erheblich angewachsen, war viel zu groß, um noch länger in einer Höhle im Wald ihrer Tätigkeit nachzugehen. Aus diesem Grund hatte der Kontrollrat eine Entscheidung getroffen, die die Bewegung beinahe gespalten hätte: Sie würden ihren Stützpunkt verlegen, würden selbst in eine Anderwelt gehen, weil sie nur so eine Chance sahen, ihr Ziel zu verwirklichen, das darin bestand, den Kontakt zu den Anderwelten ein für alle Mal unmöglich zu machen.
Wochen über Wochen hatten sie diskutiert, sich die Köpfe heißgeredet, gestritten, einander als
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