Nebenweit (German Edition)
hier … äh … fremd fühlen?« Er hielt inne, so als wäre ihm gerade bewusst geworden, dass er zu viel gesagt hatte. Er und Falkenberg wechselten Blicke, die ich nicht deuten konnte. Ein paar Augenblicke lang hing Schweigen in der Luft. Dann wandte er sich Tadeusz zu, überlegte kurz und meinte dann: »Tadeusz, ich möchte mit den beiden Herren kurz allein sein. Bitte tun Sie mir den Gefallen und lassen Sie und Ihre Leute uns auf ein paar Augenblicke allein. Sie können ja draußen nachsehen, ob unsere Fahrzeuge hinreichend getarnt sind. Ich sage Ihnen gleich Bescheid, wenn Sie wieder reinkommen dürfen.«
Tadeusz’ Augen verengten sich, dann wanderte sein Blick zu seinen Mitstreitern und gleich wieder zu Heinrich zurück. »Wir hatten doch eine Vereinbarung, und ich denke – also, Sie haben doch selbst gesagt, dass wir unsere Arbeit gut erledigt haben. Ich dachte, wir sind Partner. Und jetzt schicken Sie uns einfach weg?«
»Nein, Tadeusz, ich schicke Sie nicht weg, ich muss nur mit diesen beiden Herren kurz unter vier, also ich meine natürlich sechs Augen sprechen. Das ändert nichts an unserer Verabredung. Sie bekommen alles, was ich Ihnen zugesagt habe, und ich bin auch sehr froh, dass Sie ihre Sache so gut gemacht haben. Und wie ich höre, wird auch der Mann, den Sie angeschossen haben, durchkommen. Die Aktion ist also ohne Todesopfer abgelaufen, und das ist gut so. Also bitte …« Ein leichtes Zucken seines Kopfes in Richtung zur Tür begleitet von einem um Nachsicht heischenden Blick.
Ganz schien das Tadeusz immer noch nicht zu passen, aber er nickte, winkte seinen beiden Mitstreitern und ging hinaus.
Nachdem Heinrich sich vergewissert hatte, dass Tadeusz und seine Männer sich ein Stück von der Hütte entfernt hatten, wandte er sich wieder Falkenberg und mir zu. Er sagte ein paar Worte in der mir fremden Sprache zu Falkenberg, die diesen offenbar nicht gerade erbauten, und fuhr dann auf Deutsch fort. »Herr Falkenberg und ich sind alte Bekannte, wir kennen uns seit unserer Kindheit, sind aber unterschiedliche Wege gegangen. Wenn ich richtig vermute – und Herr Falkenberg hat mir darin nicht widersprochen –, ist Ihre Bekanntschaft erst eine sehr kurze, und der Name Lukas ist mir nicht unbekannt, ein gemeinsamer Bekannter von Herrn Falkenberg und mir hat ihn mehrfach erwähnt. Und Ihre Anwesenheit hier löst ein Rätsel, das mich und meine Kollegen seit geraumer Zeit, genauer gesagt, seit etwas mehr als einem Monat beschäftigt …«
Er legte eine Kunstpause ein und fuhr dann fort: »Ich weiß nicht, wie weit Herr Falkenberg Sie informiert hat, aber Ihre Anwesenheit hier deutet jedenfalls darauf hin, dass Sie nicht ganz unwissend sind …« Er hielt kurz inne und sah Falkenberg an. »Eigentlich galt diese Aktion ja dir, aber das Auftauchen von Herrn Lukas ändert natürlich einiges. Ich muss gestehen, dass ich darauf nicht vorbereitet war. Lass mich überlegen … ja, so muss es sein. Du hast Herrn Lukas hierher gebracht, weil es dir in Bayern zu riskant erschien, dort mit einem AW – entschuldigen Sie, Herr Lukas, ich nehme an, das ist ein Begriff, den Sie nicht kennen; ich werde ihn gleich erklären –, also dort mit einem AW in die Öffentlichkeit zu treten. Und jetzt soll er hier eine neue Identität bekommen.«
Sein Blick wanderte wieder zu mir zurück. »Das ist wirklich alles sehr kompliziert. Ich denke, wir sollten uns tatsächlich zuerst mit Ihnen befassen, obwohl wir nicht zu lange hierbleiben dürfen. Der Herr Standartenführer wird nämlich erwartet, und ich muss damit rechnen, dass jeden Augenblick eine Suchaktion beginnt. Doch hier wird uns so leicht niemand finden, dafür haben Tadeusz und seine Leute gesorgt. Also, um sozusagen mit der Tür ins Haus zu fallen – ich gehe davon aus, dass Ihnen inzwischen klar ist, dass Sie sich hier in einer Anderwelt befinden. Anderwelt – daher die Abkürzung AW, verstehen Sie? ›Anderweltler‹. Und unser gemeinsamer Freund Falkenberg legt für Leute wie Sie ein besonderes Interesse an den Tag, nicht wahr, Antolax? So nennt er sich nämlich bei uns. Zu Hause sozusagen, also dort, wo ich auch herkomme.« Er nickte mir verschwörerisch zu. »Und da Sie auf diese Feststellung nicht sonderlich verblüfft reagiert haben, gehe ich davon aus, dass unser gemeinsamer Freund hier Sie darüber informiert hat.
Ich würde vorschlagen, dass wir dieses Thema Tadeusz und seinen Leuten gegenüber totschweigen, die würden das nämlich nicht verstehen
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