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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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meiner ersten Entführung ja eigentlich gar nicht mitgekriegt hatte, wie alles gelaufen war. Bloß an die Beule konnte ich mich recht deutlich erinnern, die ich in meinem Kellergefängnis eine ganze Weile gespürt hatte. Diesmal war alles so schnell gegangen, dass ich kaum Zeit zum Nachdenken gehabt hatte. Mattke vermutlich tot, Falkenberg entführt und mit unbekanntem Ziel verschwunden und ich allein mit zwei finsteren Gestalten, die sich in einer mir unbekannten, slawisch klingenden Sprache unterhielten. Russisch war es nicht, so viel konnte ich erkennen, aber vielleicht handelte es sich um einen lokalen Dialekt. Sie schienen Deutsch zu verstehen, hatten aber auf meine Fragen nur mit einem geknurrten »Du still sein, warten, Chef erklären« reagiert.
    Also hielt ich den Mund und zog immer wieder mal reflexartig den Kopf ein, wenn wir zu dicht an einem Baumstamm vorbeibrausten oder ein herunterhängender Zweig seine Schneelast auf unsere Motorhaube entlud. Trotz der komfortablen Federung der schweren Limousine hatte ich das Gefühl, dass wir mitten durch den Wald rasten. Von einer Straße oder auch nur einem Weg war weit und breit keine Spur zu erkennen. Aber der Fahrer schien ein klares Ziel vor Augen zu haben, denn er lenkte den Mercedes mit schier nachtwandlerischer Sicherheit durch das Schneegestöber. Nach etwa einer halben Stunde hielt er plötzlich vor einer Lichtung an, und meine beiden Bewacher schoben mich ins Freie und zerrten mich, dabei heftig mit ihren Pistolen fuchtelnd, zu einer Hütte, aus deren Schornstein weißlicher Rauch kräuselte, während der Fahrer den Wagen ein Stück zurücksetzte, offenbar, um ihn zwischen den verschneiten Tannen zu verstecken.
    Von meinen beiden Bewachern halb gezogen, halb geschoben stapfte ich auf die Hütte zu. Mir war kalt, ich trug die Kleidung, mit der Falkenberg mich aus Unterwössen abgeholt hatte, hatte also weder Hut noch Mantel, geschweige denn für den tiefen Schnee geeignetes Schuhwerk. Bis zur Hütte waren es allerdings nur wenige Schritte, und als der vordere meiner beiden Bewacher die Tür öffnete, schlug mir wohlige Wärme entgegen. Man bedeutete mir, auf einer Bank an der Wand Platz zu nehmen, und schien im Übrigen an meiner Person nicht mehr interessiert. Die beiden Männer schälten sich aus ihren Anoraks, darunter kamen dicke Pullover und weite Hosen zum Vorschein, und ich hatte jetzt zum ersten Mal Gelegenheit, ihre Gesichter zu betrachten, scharf geschnittene Bauerngesichter, vom Wetter gegerbt, dunkles Haar, schwarze Bartstoppeln, Hakennasen – ich tippte auf die Kaukasusregion, wo Carol und ich einmal Skiurlaub gemacht hatten. Aber das war im wahrsten Sinne des Wortes in einer anderen Welt gewesen, machte ich mir klar.
    Einer der Männer zog eine Flasche aus der Tasche, nahm einen Schluck daraus und hielt sie mir dann mit einer einladenden Geste hin. »Wodka – gutt für kalt«, teilte er mit einem breiten Grinsen mit, bei dem man einen Mund voll brauner Zähe bewundern konnte. Ich nahm die Flasche entgegen, wischte mit dem Handrücken darüber, nahm einen Schluck, der mir wie Feuer durch die Kehle rann, und reichte ihm die Flasche dann mit einem dankbaren Kopfnicken zurück. Ich sah mich in der Hütte um, entdeckte aber außer einem roh gezimmerten Tisch, einem halben Dutzend ebensolcher Stühle und einem gusseisernen Ofen, in dem ein munteres Feuer prasselte, nichts von Belang,
    Nach einem fragenden Blick auf meine beiden Bewacher, ließ ich mich auf einem der Stühle nieder, zog die von dem kurzen Marsch durch den Tiefschnee durchnässten Schuhe aus und streckte die Füße in Richtung Ofen. »Serr gutt!«, nickte der zweite Bewacher, der bis jetzt stumm geblieben war, und brachte aus den Tiefen seiner Hosentaschen ebenfalls eine Flasche zum Vorschein. Draußen war jetzt das Knattern eines Motorrads zu hören. Der Anführer der Gruppe – dafür hielt ich ihn jedenfalls – mit seinem Gefangenen, verriet mir ein Blick durch das winzige Fenster. Er stieg von der Maschine, machte sich am Beiwagen zu schaffen und zerrte dann seinen Gefangenen mit Nachdruck hinter sich her in die Hütte, wo er ihn Platz nehmen ließ und ihn dann mit Handschellen, die er ihm um die Fußknöchel legte, an zwei im Boden befestigten Eisenringen ankettete. Ich hatte die Ringe bis jetzt nicht bemerkt und wunderte mich über die nach meinem Empfinden übertriebene Vorsicht …
    Falkenberg ließ das zu meiner Verwunderung nicht nur ohne Widerstand, sondern auch stumm

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