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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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Händedruck war fest und sympathisch. Er sah mir dabei prüfend in die Augen, als wolle er meine innersten Gedanken ergründen. »Sie kommen also auch von …« Er stockte.
    »Der Anderwelt«, half ich ihm aus. »So sagen wir üblicherweise. Ja, ich komme aus der Anderwelt.« Ich hatte mir rückhaltlose Offenheit vorgenommen, weil ich davon ausging, dass man diesem Mann ebenso wenig wie seinem Pendant etwas vormachen konnte. Und so, wie die Dinge sich entwickelten, war es ohnehin nur noch eine Frage der Zeit, bis unser Geheimnis gelüftet werden musste.
    Die Häufung von Versetzungen, das Auftauchen Mortimers, was Lukas mir über seine Erlebnisse in Japan erzählt hatte: Das alles deutete darauf hin, dass die Ereignisse sich beschleunigten und …
    Das Telefon klingelte. Wir zuckten alle drei zusammen.
    Heinrich griff nach dem Hörer, nahm ab und meldete sich lakonisch mit: »Ja?« Dann lauschte er, sein Ausdruck lockerte sich, er nickte kurz, sagte: »Sehr gut«, lauschte wieder, nickte erneut und sagte dann: »Nein, der ist verschwunden, ich weiß nicht wohin, aber in Ihrer Umgebung dürfte er nicht sein. Wahrscheinlich werden Sie ihn so schnell nicht mehr zu sehen bekommen.« Wieder lauschte er eine Weile und meinte dann: »Ich schlage vor, Sie bleiben ein paar Tage, wo Sie jetzt sind, halten sich bedeckt und melden sich wieder bei mir, wenn es Neues gibt. Und behalten Sie die Ordensburg im Auge. Das wäre dann alles.« Er legte auf.
    »Das war Tadeusz Borowski«, ließ er uns dann wissen. »Der Mann, der die Aktion bei Allenstein eingefädelt und geleitet hat«, fügte er zu mir gewandt hinzu. »Ein erstklassiger Mann. Seit Jahren Untergrundkämpfer und ein erbitterter Feind der Nazis. Er hat mir berichtet, dass er und seine Leute sich erfolgreich nach Warschau abgesetzt haben und jetzt dort bei Gleichgesinnten untergetaucht sind. Den Wagen, den sie erst drei Stunden vor dem Überfall gestohlen hatten, haben sie in einem Waldstück vor der Stadt stehen lassen. Tadeusz verfügt über ein dichtes Netz von Verbindungsleuten und wird es mit Sicherheit erfahren, wenn Antolax wieder auftauchen sollte.«
    »War da nicht noch ein Fahrer?«, erkundigte sich Lukas, der dem Gespräch interessiert gelauscht hatte. »Den haben die doch mitgenommen, oder?«
    Ladox verdrehte die Augen. »Ich fürchte, der ist ein Opfer seines Berufes geworden«, meinte er dann. »Der Mann war Soldat, und Tadeusz hat für deutsche Soldaten nicht viel übrig. Ihn am Leben zu lassen, wäre riskant gewesen, riskant für Tadeusz und seine Leute und nicht zuletzt auch für mich.«
    Ich beobachtete Lukas, als Ladox das sagte, und spürte sein Entsetzen über die gleichmütige Art, wie hier über den Tod eines Menschen gesprochen wurde, eines völlig unschuldigen Menschen übrigens, wie ich mir klarmachte. Das musste eine noch stärkere Wirkung auf ihn haben, auf ihn, einen Menschen aus einer Welt, die von allen, die ich kannte, mit Abstand die friedfertigste war und in der folgerichtig das Leben eines Menschen einen besonders großen Wert hatte.
    »Das mag für Sie jetzt vielleicht pathetisch klingen, Herr Lukas«, schaltete ich mich ein, »aber bedenken Sie bitte, dass es in dieser Auseinandersetzung für mein Volk um Leben und Tod geht, und das in einem Maße, wie Sie sich das vielleicht gar nicht vorstellen können. Seit wir Kontakt zu den Anderwelten, insbesondere der Ihren, aufgenommen haben, gibt es für uns kein Zurück mehr. Wir haben uns an viele Dinge gewöhnt, die uns nur Ihre Welt liefern kann, Medikamente in ganz besonderem Maße, und die können wir uns nur beschaffen, solange unsere Existenz geheim bleibt. Und wenn wir Antolax’ Treiben kein Ende machen, lässt sich diese Geheimhaltung nicht mehr lange aufrechterhalten. Dass ich Sie jetzt einweihe, ist genau genommen ein Verstoß gegen eine der strengsten Regeln in unseren Gesetzen, aber die Umstände machen das einfach notwendig.«
    Lukas war anzusehen, dass meine Worte ihn nicht überzeugten. Die Maxime, dass der Zweck die Mittel heiligt, war in seiner Welt schon lange nicht mehr gültig, wenigstens nicht in Gemeinwesen, die für sich den Anspruch erhoben, zivilisiert zu sein. Aber er widersprach mir auch nicht. Vielleicht beschäftigten ihn ganz andere Gedanken, die ihm im Augenblick wichtiger waren als ethische Überlegungen.
    »Ich will mich darüber nicht mit Ihnen streiten«, bestätigten seine nächsten Worte meine Gedanken. »Es gibt da etwas, was mich schon seit meinem

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