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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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›Rutsch‹ beschäftigt hat und worauf mir dieser Antolax, der sich mir gegenüber zuerst als Schmid und später dann als Falkenberg ausgab, keine Antwort geben wollte. Eigentlich geht es mich ja gar nichts an, was in dieser Welt geschieht. Ich will zurück in die meine, zurück in die Umgebung, in die ich gehöre. Und Sie brauchen wirklich keine Angst zu haben, dass ich etwas von dem verrate, was ich hier mitbekommen habe. Nicht dass mir jemand glauben würde.« Er lachte gezwungen.
    Ich atmete tief. Das gleiche Gespräch hatte ich nicht nur einmal mit dem anderen Lukas geführt und es bis zur Stunde nicht geschafft, ihn zu überzeugen …
    ***
     
    Lukas hatte an die fünf Minuten gebraucht, um sein inneres Gleichgewicht zu finden. Er hatte am Fenster gestanden und wie versteinert ins Leere geblickt. Im Zimmer war es eiskalt geworden, draußen herrschten Temperaturen um die null Grad, aber Ladox und ich hatten stumm und unbewegt gewartet, bis er sich schließlich umgedreht und mit starrer Miene an den Tisch zurückgekehrt war.
    Man musste die Haltung des Mannes bewundern, dachte ich, als ich bereits wieder im Zug nach Rosenheim saß. Ich versuchte, mir vorzustellen, was in diesen fünf Minuten in ihm vorgegangen sein mochte und wie es jetzt in ihm aussah. Ich erinnerte mich daran, wie ich Lukas – für mich war er seit Kurzem Lukas eins – kennengelernt und zum ersten Mal erfahren hatte, dass es in parallelen Welten Menschen gab, die einander wie ein Ei dem anderen glichen. Ich hatte damals zunächst gedacht, diese Gleichheit würde sich nur auf Äußerlichkeiten beziehen, aber seit ich jetzt das Pendant, den Zwilling, die Kopie erlebt hatte, wusste ich, dass die Gleichheit – der Begriff Ähnlichkeit wurde der Realität nicht gerecht – viel mehr umfasste als Stimme, Sprechgewohnheiten, Tonfall und, davon war ich überzeugt, Charakter und Intellekt.
    Das hatte ich damals nur ahnen können, auch wenn das Arrangement, das Lukas eins mit Carol Lukas getroffen hatte, darauf hindeutete, dass die Gleichheit viel tiefer ging.
    Das Wissen, dass Carol in der Amerikawelt ein Pendant hatte, war es, was mich fast in den Wahnsinn getrieben hatte.
    Drei Jahre war es her, dass ich an Bitex’ Grab gestanden hatte. »Monique Dupont in ewiger Liebe«, stand auf dem Basaltstein auf dem Friedhof in Rosenheim. Ich hatte angefangen, mich mit ihrem Verlust abzufinden, und dann war da plötzlich ein Hoffnungsfunke aufgeflackert. Wenn es zwei Carols gab, war es dann so völlig ausgeschlossen, dass auch irgendwo eine zweite Bitex lebte, in einer Anderwelt, die wir vielleicht nicht kannten? Doch wie sie finden? Ich hatte mir den Kopf zermartert, mich immer wieder in höchst riskanter Weise in andere Welten zu versetzen versucht, war einige Male mit knapper Not dem Tod entgangen, wenn mich ein Blindrutsch in Welten versetzt hatte, die noch im Urzustand verharrten.
    Nach einer Weile hatte ich die Suche aufgegeben, hatte mir klargemacht, dass die Aussicht auf Erfolg verschwindend gering war. Und selbst wenn ich Bitex in einer Anderwelt gefunden hätte – wer sagte mir denn, dass sie nicht dort gebunden war? Nur mit dem Unterschied, dass es dann keinen Obertix zwei geben würde, der seinerseits zwischen den Welten gestrandet war und dessen Platz ich einnehmen konnte.
    Meine Gedanken kehrten in die Gegenwart zurück. Ladox und ich hatten Lukas zwei versprochen, uns Gedanken darüber zu machen, wie wir ihm dabei helfen konnten, in dieser Welt, die jetzt die seine war, eine neue Existenz aufzubauen. Man hatte ihm angesehen, dass unsere Beteuerungen ihn nicht gerade überzeugten, zugleich aber war da eine so große Apathie zu spüren gewesen, dass es keine große Mühe bereitet hatte, ihn zu beruhigen, fast hätte ich gesagt: ruhigzustellen. Die nächsten Tage konnte er die Wohnung nicht verlassen, die Zeit brauchte Brückl, um die erforderlichen Ausweispapiere für ihn anzufertigen und auch dafür zu sorgen, dass die darin enthaltenen Angaben hieb- und stichfest waren und nicht bei der ersten Überprüfung durch die manchmal paranoiden Behörden des Großdeutschen Reiches wie ein Kartenhaus in sich zusammenfielen.
    Der einschläfernde Rhythmus der Waggonräder ließ meine Gedanken wandern. Ich war noch in München in die eigene Zeitebene zurückgerutscht. Natürlich nicht in die eigene, sondern in die, wo ich die Interessen meines Volkes als Dr. Dupont vertrat, korrigierte ich mich. Warum fuhr ich eigentlich nach Rosenheim? Ich hätte doch

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