Nebenweit (German Edition)
verzichten, und dafür eine vertragliche Erklärung aller Signatarstaaten des Völkerbundes entgegengenommen, womit diese sich im Gegenzug verpflichteten, auf jeglichen militärischen Einsatz der Atomenergie zu verzichten. Diese Vereinbarung war seitdem im Abstand von jeweils zwanzig Jahren dreimal verlängert und noch nie gebrochen worden.
Ein paar Bilder von bärtigen Männern mit Tropenhelmen umgeben von Schwarzen, teils im Lendenschurz, teils in Khakihosen, befassten sich mit der kurzen Kolonialgeschichte des Deutschen Bundes, die mit dem einstimmigen Beschluss des Völkerbundes vom 23. Juni 1944 ein Ende genommen hatte. An jenem Tag hatten sich nach langen Verhandlungen alle Kolonialmächte verpflichtet, ihre sämtlichen Kolonien binnen 20 Jahren entweder mit allen Rechten in den eigenen Staatenverbund aufzunehmen oder sie in die uneingeschränkte Selbstverwaltung und Eigenstaatlichkeit zu entlassen und sie auf diese auch unter Kontrolle der entsprechenden Organe des Völkerbundes vorzubereiten.
Ein Bild von der Weltkonferenz vom 4. Juli 1965 in Honolulu, der Hauptstadt des Königreichs Hawaii, zeigte die Vertreter der auf 156 Mitgliedstaaten angewachsenen Völkerfamilie, teils in höchst abenteuerlicher, farbenprächtiger Nationaltracht, des Weiteren die goldene 100-Eurotaler-Gedenkmünze mit dem Reliefporträt des Völkerbundspräsidenten John F. Kennedy aus den UNS auf der einen und dem Reliefbild des Globus auf der anderen Seite.
Ein Blick auf die Uhr machte mir bewusst, dass ich mich beeilen musste, wollte ich rechtzeitig zu meiner Verabredung mit Dupont im Hammerwirt erscheinen, sodass ich unter einigem Widerstreben den Ausstellungsbau verließ, mir aber fest vornahm, ein andermal wiederzukommen und mich mit den restlichen Exponaten zu beschäftigen.
Beim Verlassen des Saals fiel mein Blick noch auf eine weitere Tafel mit einer Versammlung würdiger Herren in geistlichem Ornat. Sie berichtete von der Gründung des Weltkongresses der monotheistischen Religionen in Jerusalem im Mai 1972. Ob darin der Grund für den in dieser Welt offenbar friedlichen Nahen Osten zu suchen war? Ich nahm mir fest vor, mir darüber im Weltnetz Aufschluss zu verschaffen. Jetzt reichte die Zeit bedauerlicherweise nicht aus, um mich gründlicher mit der Schautafel zu befassen.
Draußen war es dunkel geworden und ein kühler Herbstwind wehte. Ich klappte den Mantelkragen hoch und eilte die paar Straßen zum Restaurant Hammerwirt, wo Dupont mich bereits an einem Ecktisch erwartete. Ich hatte mich um mehr als eine Viertelstunde verspätet, er hatte bereits ein halb geleertes Glas Bier vor sich stehen, und ich entschuldigte mich und erklärte, was mich aufgehalten hatte. In meiner Schilderung der Ausstellung, in der ich nur von der Bedienung unterbrochen wurde, der wir beide ohne langes Überlegen unsere Bestellung aufgaben, gab ich mich recht naiv, um ihn in Sicherheit zu wiegen, und fragte ihn dann unvermittelt:
»Jetzt würde mich wirklich interessieren, weshalb Sie eigentlich so großen Wert darauf legen, mit mir Kontakt aufzunehmen. Ich meine, Sie haben ja blitzschnell reagiert. Dabei könnte es Ihnen doch gleichgültig sein, wenn sich jemand aus einer anderen Parallelwelt hierher verirrt. Ihre Interessen störe ich doch eigentlich nicht. Ich hingegen …« Ich sprach den Satz nicht zu Ende und sah ihn erwartungsvoll an.
»Das will ich Ihnen gerne sagen«, nickte Dupont, ohne dabei mit der Wimper zu zucken. »Zum einen sind Sie, wenn Sie mir die Formulierung erlauben, der erste ›Fall‹ einer Versetzung einer Person, der nicht unserem Volk angehört.« Dabei sah er mich erwartungsvoll, ja irgendwie fragend an, als rechne er mit Widerspruch. Aber er brauchte ja nicht zu wissen, dass ich vom Verschwinden zweier Männer im Umfeld meines Hauses wusste, und so blieb ich stumm. »Zum anderen sind wir offen gestanden an dieser Welt sehr interessiert, weil sie uns, wie ich ja schon erwähnte, in vielen Bereichen wichtige Erkenntnisse verschafft, zu deren Erlangung aus eigener Kraft wir möglicherweise Generationen brauchen würden. Ganz zu schweigen davon, dass es hier ja tausend Mal, was sage ich, hunderttausend Mal mehr Menschen gibt als bei uns, und Sie allein schon aus diesem Grund viel mehr, viel schneller und ganz sicher wesentlich effizienter forschen können als wir. Und wie es scheint, befinden Sie sich ja gerade in einer Epoche intensiver wissenschaftlicher Tätigkeit. Übrigens auf mehreren Gebieten, die uns
Weitere Kostenlose Bücher