Nebenweit (German Edition)
konnte man lesen, dass der Bund seinen Sieg über den Angreifer Frankreich seiner überlegener Waffentechnik und dem leistungsfähigen, der schnellen Verlegung von Truppen dienenden Eisenbahnnetz verdankte und ganz gegen die Gepflogenheiten jener Zeit bei den Friedensverhandlungen auf jegliche Ansprüche gegenüber dem geschlagenen Angreifer verzichtet hatte.
Die nächste Tafel zeigte ein Bild, wie mir schien, eine kolorierte Fotografie, des historischen Händedrucks zwischen dem deutschen Kaiser Friedrich III. und dem besiegten französischen Kaiser Napoleon III., mit dem die beiden Monarchen vier Jahre nach dem Sieg der Waffen den von Bismarck ausgehandelten Freundschaftspakt zwischen den beiden Ländern besiegelt hatten.
Eine Landkarte des Deutschen Bundes folgte. Man konnte erkennen, dass der Flickenteppich wesentlich ruhiger geworden und die Zahl der Staaten und Fürstentümer deutlich geschrumpft war. Offenbar hatte es eine Art Gebietsreform gegeben, und genau das schilderte die Tafel daneben auch: »Verfassungsreform von 1898«, stand darauf. Das Staatsgebiet reichte bis zur Adria und umfasste, soweit ich das erkennen konnte, Slowenien, Teile Kroatiens, Südtirol und Luxemburg und gliederte sich in zwölf Bundesländer, von denen sechs als Südreich mit der Hauptstadt Wien, die übrigen sechs als Nordreich mit Berlin als Hauptstadt gekennzeichnet waren. Dem Text war zu entnehmen, dass die von den Parlamenten in Berlin und Wien beschlossene neue Bundesverfassung den einzelnen, teils neu gegründeten Ländern weitgehende innere Souveränität belassen hatte, lediglich in der Außen- und Wirtschaftspolitik lagen die Hoheitsrechte beim Bund, der eine Verschmelzung der beiden Kaiserhöfe binnen zwanzig Jahren anstrebte und praktisch zu einer völligen Entmachtung der bisherigen Königs- und Fürstenhäuser geführt hatte. Diese hatten zwar ihre Titel und Teile ihrer persönlichen Ländereien behalten dürfen, waren aber politisch mit Ratifizierung der neuen Verfassung bedeutungslos geworden. Ich musste an die indischen Fürstenhäuser zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in meiner Welt denken und versuchte mir auszumalen, welch gewaltiger politischer Gestaltungswille doch die Staatenlenker jener Gründungsepoche getrieben haben mochte. Und welcher Energie und welches politischen Geschicks die Verwirklichung dieser Vision bedurft hatte!
Der nächste Saal stand unter dem Motto ›Deutschland in Europa‹ und schilderte die Gründung der Europäischen Föderation im Jahre 1920, zunächst als Zollverein zwischen dem Deutschen Bund, Frankreich, Italien und Russland als den Großmächten jener Epoche, dem dann im Laufe der nächsten zehn Jahre in kurzer Folge sämtliche europäischen Staaten mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs Großbritannien beigetreten waren. Ein Bild zeigte die Gründungsversammlung in Dresden, auf das man sich als Hauptstadt der neuen Union geeinigt hatte. Der deutsche Bundeskanzler Rathenau, ein korpulenter, recht kleinwüchsiger Glatzkopf in Uniform, den ich schließlich als den italienischen Ministerpräsidenten Mussolini erkannte, ein mir unbekannter M. Leclerc als Vertreter Frankreichs und Leon Trotzki als Ministerpräsident der Russischen Republik waren, alle den Gepflogenheiten jener Zeit gemäß im Gehrock, an einer Tafel bei der Leistung ihrer Unterschriften zu sehen. Im Hintergrund konnte man einige Gestalten in Galauniform erkennen, aber darunter keine Mitglieder der zu jener Zeit offenkundig schon nur noch repräsentativ wirkenden beiden Kaiserhäuser.
Der nächste Saal trug den Titel ›Der Deutsche Bund als Mitglied des Völkerbundes‹ und bot kaum Interessantes, eher einen Abklatsch des Saals, den ich gerade verlassen hatte, nur dass die würdigen Herren, übrigens keine einzige Frau, diesmal 1930 ihre Unterschriften leisteten. Interessanter war ein Schaubild, das einen gewaltigen Atompilz über einem Südseeatoll zeigte. Eine Schrifttafel verkündete, dies sei das einzige Mal gewesen, dass am 29. Januar 1936 auf einem Atoll im Bismarck-Archipel in der Südsee als Machtdemonstration des Deutschen Bundes eine Atombombe gezündet worden sei, einer Demonstration, zu der man sechzig Nationen aus der ganzen Welt eingeladen hatte. Anschließend seien die gesamten Testunterlagen und alles wissenschaftliche Material dem seit sechs Jahren bestehenden Völkerbund übergeben worden, und der Deutsche Bund habe sich verpflichtet, künftig auf jegliche Herstellung von Atombomben zu
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