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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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der seinen. Wo er doch behauptet hatte, nur in seinem ›Volk‹ gäbe es diese Fähigkeit zu diesem ›Rutsch‹? Jedenfalls würde ich weiterhin vorsichtig sein müssen, mich einerseits um sein Vertrauen bemühen, andererseits mir nicht in die Karten schauen lassen.
    Meine Gedanken wanderten zu Carol, ›meiner‹ Carol, die nur ein paar Kilometer entfernt und doch im wahrsten Sinne des Wortes durch ganze Welten von mir getrennt war. Wie sie wohl mit Bernhard zurechtkam? Mit einem Mal wurde mir bewusst, dass ich mit Dupont nur über mich und meine Situation gesprochen hatte, überhaupt das ganze Gespräch so geführt hatte, als gäbe es nur das Problem meiner Rückkehr – aber das würde ja vermutlich zur Folge haben, dass ich dann ›drüben‹ zweimal vorhanden wäre. Nicht gerade eine erstrebenswerte Vorstellung …
    Als ich die Ortseinfahrt von Unterwössen erreichte, überlegte ich, ob ich Charlie aus seinem Tagesdomizil abholen sollte, entschied mich aber dagegen. Ich hatte ihn gestern Vormittag bei Dr. Schmid abgeliefert und fühlte mich unbeschwerter, wenn ich mich nicht um den Kleinen kümmern musste. Bei Dr. Schmid war er gut untergebracht und fühlte sich dort auch wohl, das wusste ich. Zudem hatte ich keine Ahnung, wie spät es heute werden würde und was morgen alles bevorstand. Ich fuhr an der Hütte vorbei, die für mich inzwischen eine Art Symbol geworden war – ein Umsteigebahnhof zwischen den Welten –, und überlegte, ob ich dort ein wenig herumschnüffeln sollte. Aber das schien mir zu riskant. Ich würde einfach meine Überwachungskamera und die Mikrofone dort lassen und abwarten, ob man sie entdeckte. In dem Fall würden man sie vermutlich entfernen.
    Als ich vor meiner Garage anhielt, flammte die Beleuchtung auf. Nach Knopfdruck auf die Fernsteuerung öffnete sich das Tor. Ich fuhr hinein, schaltete den Motor ab, steckte das Ladekabel an, ging ins Haus und machte mir einen Espresso. Dann holte ich mir einen Atlas, sah mir die physikalischen Karten an und versuchte, mir ein Bild zu machen, wo es wohl außer den Gälern noch Überlebende des ›Weltuntergangs‹ vor tausend Jahren geben mochte. Tibet vielleicht oder irgendwo in den Anden. Dort hatte es zu jener Zeit bereits Hochkulturen gegeben. Aber eigentlich war die Frage müßig, dachte ich. Viel wichtiger war es, Dupont wirklich auszuhorchen, ohne mich selbst zu sehr ausquetschen zu lassen.
    Ich sah auf die Uhr. Wenn wir uns um acht treffen wollten, hatte ich knapp vier Stunden Zeit. Diese nutzte ich dazu, die Erkenntnisse aus meinem Gespräch mit Dupont und meine Überlegungen dazu im Computer festzuhalten. Dann rief ich Richard an und berichtete ihm; das hatte er sich verdient. »Pass nur auf, dass dieser Dupont dich nicht in seine Welt entführt. Ich wette, die sind scharf auf Leute, von denen sie lernen können«, warnte er halb scherzhaft und bestätigte mich damit in einer Überlegung, die ich auch schon angestellt hatte.
    Wenn Dupont auch nur einigermaßen wahrheitsgemäß über die Geschichte seines Volkes in den vergangenen tausend Jahren berichtet hatte, musste dort ein gewaltiger Nachholbedarf an Wissen herrschen, den man nicht ausschließlich aus Büchern befriedigen konnte. Wir plauderten eine Weile, ich berichtete Richard von der DVD, die ich an ihn geschickt hatte, und wir verabredeten, dass ich es auch mit weiteren Erkenntnissen so halten würde. »Und wenn die Jungs dir Ärger machen, schicke ich ihnen Scotland Yard auf den Hals«, witzelte er. »Die verstehen sich ja recht gut mit eurem BND.«
    Anschließend versuchte ich, Carol anzurufen, erreichte aber nur den Anrufbeantworter und hinterließ Grüße und eine kurze Schilderung meines Gesprächs. Obwohl ich wusste, dass Carols Familie kein Wort Deutsch sprach, verwendete ich unverfängliche Formulierungen, von denen ich annahm, dass Carol verstehen würde, was ich sagen wollte.
    Ich legte auf, schaute auf die Uhr – und hatte immer noch drei Stunden, bis ich losfahren musste. Da ich von dem Gespräch mit Dupont zu aufgewühlt war, um einfach nur herumzusitzen, beschloss ich, mir die Ausstellung im Lokschuppen anzusehen.
        
     
     

16
     
    Im Innenhof des alten Backsteinbaus, wo angerostete Gleise auf den früheren Einsatz hindeuteten, verkündete eine Plakatwand in großen Lettern:
    1815–2015
200 JAHRE DEUTSCHER BUND
     
    Dahinter drängte sich eine Menschenmenge und ließ erkennen, dass die Ausstellung trotz eines die Massen ja wenig berührenden Themas

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