Nebenweit (German Edition)
angedeuteten Verbeugung. »Also schön. In allererster Linie möchte ich, dass Sie mir versprechen, unser Geheimnis zu bewahren. Sie sagten ja, dass sie Ihre Frau – also die Frau Ihres Pendants in dieser Welt – und Ihren Freund den Sprachforscher eingeweiht haben. Ich möchte, dass Sie es bei diesen beiden Menschen und, falls das wirklich erforderlich sein sollte, Ihren Kindern belassen. Vielleicht lässt sich sogar vermeiden, dass Sie die einweihen. Schließlich ersparen sie sich damit möglicherweise einiges an Problemen. Ich würde mich dafür natürlich erkenntlich zeigen und kann mir da einige Bereiche vorstellen, in denen Ihnen meine Hilfe und mein Rat nützlich sein könnten. Schließlich halte ich mich schon lange hier auf und bin über meine Kollegen auch recht gut über Ihre Herkunftswelt informiert. Sie haben sich ja inzwischen die Ausstellung hier im Lokschuppen angesehen, was ich nebenbei gesagt auch mit großem Interesse getan habe, und wissen, dass die Diskrepanzen doch recht groß sind.«
Ich nickte bedächtig und sagte einfach mal: »Ja.« Das hatte ich in Japan gelernt. Bei Japanern bedeutet ein solches »Ja« – »Hei« heißt das dort – einfach nur: »Ich habe Sie gehört und möglicherweise auch verstanden, sprechen Sie weiter.«
»Ich werde Tage brauchen, bis ich mich hier richtig eingelebt habe und nicht befürchten muss, irgendwie aufzufallen. Dabei können Sie mir bestimmt helfen. Trotzdem hoffe ich, dass Sie sich alle Mühe geben und dazu auch Ihre Gelehrten konsultieren, mir die Rückkehr in meine Welt zu ermöglichen. Schließlich bin ich ja auch – wenn auch durch einen äußerst seltenen Zufall, wie Sie sagen – hierher gekommen. Aber vielleicht kann man aus den Umständen dieses Zufalls etwas lernen, was mir weiterhilft.« Das ›wie Sie sagen‹ betonte ich so, dass er spüren musste, dass ich ihm nicht hundertprozentig glaubte.
Obertix/Dupont nickte. Ich nahm mir vor, seinen richtigen Namen möglichst schnell wieder zu vergessen, im Übrigen ähnelte er dem echten Obelix wirklich nicht. Dann sprachen wir beide wieder dem wirklich ausgezeichneten Schweinebraten zu, und Dupont bestätigte mir, dass dieses Gericht zu den Dingen gehörte, die er in unserer Welt schätzen gelernt hatte.
Den restlichen Abend plauderten wir recht ungezwungen, auch wenn das Gespräch mehr meiner Information als der seinen diente. Was hätte er auch von mir schon über diese Welt erfahren können? Und die meine schien ihn nicht sonderlich zu interessieren. So erfuhr ich, dass es auch in dieser Gegend Überlebende des damaligen Weltuntergangs gegeben hatte – ein kleines Grüppchen von Menschen, die die Katastrophe in einem Bergwerksschacht bei Hallstatt im Tauerngebirge überlebt, sich eine Weile in der Gegend unserer Ortschaft Unterwössen angesiedelt und sich später auf Wanderschaft nach Westen begeben haben und schließlich nach Luteta gelangt waren. Viel weiter nach Osten waren seine Leute bisher noch nicht gezogen und hatten auch sonst keine Kontakte zu den Nachkommen anderer Überlebender geknüpft. Wie Dupont erklärte, reichten die Ressourcen für irgendwelche Forschungsreisen nicht aus, man konzentrierte sich vielmehr lieber auf Kontakte zu dieser Zeitlinie und bemühte sich, möglichst viel von dieser zu lernen.
»Was wir brauchen, bietet uns das Land. Wir sind sesshaft, bebauen das Land, treiben Viehzucht. Salz gewinnen wir am Atlantikufer, und für unsere Kleidung reicht die Wolle, die wir von unseren Schafherden gewinnen. Sie würden staunen, wie angenehm und doch anspruchslos wir leben. Problematisch ist das nur für Leute wie mich. Man gewöhnt sich schnell ans Luxusleben und vermisst es, wenn es einem nicht mehr zugänglich ist.«
»Wie finanzieren Sie sich eigentlich außerhalb Ihrer eigenen Welt? Ich meine, Sie unterhalten hier Außenstellen, vermutlich ist dies nicht die einzige, führen hier ein geregeltes Leben. Das kostet doch Geld?«
»Gute Frage«, nickte Dupont. »Ich will sie Ihnen auch ehrlich beantworten. Einige von uns besitzen gewisse telepathische Fähigkeiten. Das geht in manchen Fällen so weit, dass wir ein wenig, manchmal Stunden, manchmal auch ein oder zwei Tage in die Zukunft sehen können. Ziemlich vage zwar, aber es hilft. Mit dieser Fähigkeit lässt sich Geld verdienen, sobald man einmal einen gewissen Grundstock hat. Beispielsweise mit Börsenspekulation oder, noch einfacher, mit Pferdewetten. Das ist übrigens ein Laster, das es auch bei uns gibt.«
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