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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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war.«
    Ich nickte, brummte etwas wie: »Kann ich verstehen«, um das Gespräch in Gang zu halten, und machte mir Notizen, so wie man das von einem Journalisten erwartete. Meine Bitte, das Gespräch aufnehmen zu dürfen, hatte Dr. Weber mit Hinweis auf die ärztliche Schweigepflicht abgelehnt. Das war zwar nicht ganz logisch, aber darauf wies ich sie lieber nicht hin. »Wir haben uns dann bemüht, eine entspannte Gesprächsatmosphäre herzustellen, das ist in solchen Fällen immer gut«, belehrte sie mich, und ich nickte beflissen.
    »Im lockeren Gespräch war er ganz aufgeschlossen«, fuhr sie fort. »Er sprach wie gesagt kaum Deutsch, eigentlich nur wenige Brocken, sodass sich das Gespräch äußerst schwierig gestaltete, weil wir auf die Schnelle keinen Dolmetscher besorgen konnten und es hier im Krankenhaus niemanden gibt, dessen Englisch über Schulkenntnisse hinausgeht. So wie wir den Mann verstanden haben, macht er hier Urlaub und war ›nach dem Krieg‹ hier stationiert gewesen. Als ich ihn fragte, welchen Krieg er meine, drehte er völlig durch. ›Den Krieg, in dem wir die Nazis besiegt haben!‹ ›Nazis‹, hat er gesagt, so klang das wenigstens. Keine Ahnung, wen er damit gemeint hat. Dann redete er von einer amerikanischen Panzerdivision, die hier im April 1945 einmarschiert sein soll. Können Sie sich so etwas vorstellen? Völlig verwirrt war der«, meinte Dr. Weber und sah mich Zustimmung erwartend an.
    Ich nickte. »Ja, schlimm, wenn so alte Leute nicht mehr klar denken können. Demenz, nicht wahr?«
    »Ja, natürlich. Und Demenzkranke sind ja zu hundert Prozent davon überzeugt, dass ihre wirren Vorstellungen Realität sind«, nickte die Ärztin. »Wir sind ja mit solchen Fällen vertraut und können auch damit umgehen. Also haben wir ihm natürlich den Eindruck vermittelt, dass wir ihm glaubten und haben ihn nach seinen Kriegserlebnissen ausgefragt. Wirklich erstaunlich, was die Fantasie manchen Leuten vorgaukelt. In Deutschland habe damals ein Diktator regiert, ein gewisser Heilitler oder so ähnlich, und der habe praktisch gegen die ganze Welt Krieg geführt, bis dann die Amerikaner in Frankreich gelandet seien und ihn besiegt hätten. Er selbst habe damals als Besatzungssoldat hier gelebt und schließlich eine Deutsche geheiratet und mit in ›die Staaten‹ genommen, wo sie vor drei Jahren gestorben sei.
    Als ich ihn fragte, ›in welche Staaten‹, hat er mich ganz groß angesehen. ›In die USA natürlich, wohin denn sonst?‹, meinte er. ›Damals haben viele meiner Kameraden deutsche Frauleins geheiratet‹. Ich erinnere mich ganz deutlich, ›Frauleins‹ hat er gesagt. Und dann wurde er ganz melancholisch und fing an, von seiner Gisela zu erzählen und ihren drei Kindern, die alle gute Jobs hätten, zu Hause in den Staaten. Wir haben ihn eine Weile reden lassen und ihn dann gefragt, warum er hier sei. ›Weil meine Gisela hier gelebt hat‹, hat er gesagt. Sie seien in den letzten dreißig Jahren oft auf Urlaub hier gewesen, weil Gisela sehr an ihrer Heimat hing. ›Sie hat mir in den ersten Jahren unserer Ehe immer von den bayrischen Bergen vorgeschwärmt und wie sie die vermisse.‹ Ganz wehmütig ist er geworden.«
    »Das kann man sich ja gut vorstellen«, pflichtete ich ihr bei, um das Gespräch nicht abbrechen zu lassen. Frau Dr. Weber schien von Mr. Mortimers Schicksal beeindruckt zu sein, man merkte ihr die innere Bewegung an. »In dem Bericht im Fernsehen war von einem Reisepass die Rede«, lenkte ich das Gespräch in die Richtung, die mich interessierte.
    »Ja, eine höchst seltsame Geschichte«, nicke die Ärztin. »Wir haben uns natürlich seine Brieftasche angesehen. Darin steckten neben ein paar seltsamen Geldscheinen – etwa zweihundert Euro, was immer das ist – eine Kreditkarte von American Express, ein Führerschein mit Foto auf seinen Namen und ein Reisepass. Ganz amtlich hat der ausgesehen, vor fünf Jahren auf ihn ausgestellt. Ein blaues Heft, so wie Pässe eben aussehen, mit ›United States of America‹ auf dem Umschlag und einem Adler darüber. Ausgestellt in St. Louis, Bundesstaat Missouri. Wir haben bei den beiden Konsulaten in München angerufen, dem der CSA und dem der UNS, weil wir nicht wussten, wo Missouri hingehört. Dort haben wir erfahren, dass es zu den CSA gehört und dass es diese United States of America seit 1865 nicht mehr gibt, was wir ja auch wussten. Als wir Mortimer das erklärten, bekam er einen regelrechten Wutanfall und erklärte uns für

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